European Train Control System (ETCS)

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An dem europäischen Gemeinschaftsprojekt ERTMS (European Rail Traffic Management System) sind mehrere große Bahngesellschaften und alle relevanten Hersteller von Eisenbahnsicherungstechnik beteiligt. Ziel dieses Projekts ist die Schaffung eines einheitlichen Zugbeeinflussungssystems und die Harmonisierung der Informationsübertragung zwischen Fahrweg und Fahrzeug in Europa. Dadurch soll der freizügige Einsatz von Fahrzeugen ermöglicht und so der grenzüberschreitende Bahnverkehr vereinfacht werden. Grundlage dafür ist die EU-Richtlinie 96/48 zur Interoperabilität des europäischen Hochgeschwindigkeitssystems. Die Hauptbestandteile dieses Projekts sind das European Train Control System (ETCS) und ein funkbasiertes Kommunikationssystem GSM-R (Global System Mobile - Railways).

Folgende technischen Komponenten sind Grundlage für das ETCS:

Auf Basis dieser Systemkomponenten werden im ETCS folgende abwärtskompatible Ausrüstungsstufen definiert:

Das ETCS Level 1 ist ein System zur punktförmigen Zugbeeinflussung mittels Eurobalisen unter Beibehaltung der örtlichen Streckensignale mit landesspezifischer Signalisierung. Das ETCS-Gerät im Triebfahrzeug (Tfz) erhält von der schaltbaren Eurobalise die Information über die Stellung der Signale und ermöglicht dadurch eine Zugsicherung ähnlich des Systems der induktiven Zugsicherung (Indusi/PZB). Anders als bei der PZB muss bei ETCS Level 1 auch die Aufhebung des Fahrverbotes von der Eurobalise an das Tfz übermittelt werden. Da es nicht möglich ist, eine punktförmige Übertragungseinrichtung wie die Eurobalise, so vor dem Hauptsignal zu positionieren, dass alle haltenden Züge über diese eine neue Fahrterlaubnis erhalten können, muss die Eurobalise hinter allen Halteplätzen, frühestens also am Hauptsignal selbst, angebracht werden. Züge müssen also in jedem Fall zumindest bis zum Hauptsignalstandort gelangen, um dort die neue Fahrtinformation aufnehmen zu können. Da bei haltenden Zügen das ETCS-Fahrzeuggerät bis zu diesem Zeitpunkt noch mit der veralteten Haltinformation der letzten aktiven Balise arbeitet, muss das errechnete Geschwindigkeitsprofil die Möglichkeit vorsehen, die nächste Balise hinter dem errechneten Halteplatz mit der sog. Befreiungsgeschwindigkeit zu erreichen.

Eine Erweiterung des ETCS Level 1 ermöglicht durch den Einsatz von Euroloop (Extension 1) bzw. Euroradio (Extension 2)  eine kontinuierliche Datenübertragung vor dem Signal und dadurch eine Beschleunigung des Betriebes. Bei der Verwendung von Euroloop oder Euroradio (Radio Infill) kann dem ETCS-Fahrzeuggerät jederzeit (vor dem Signal) eine neue Signalinformation mitgeteilt werden. Daher kann direkt ein neues dynamisches Geschwindigkeitsprofil berechnet werden, wenn sich die Signalstellung des Hauptsignals bzw. die Fahrterlaubnis ändert. Eine Befreiungsgeschwindigkeit mit allen ihren sicherheitstechnischen Problemen ist hier nicht erforderlich.

Bei ETCS Level 2 erfolgt die Zugortung noch über nicht schaltbare Eurobalisen ("elektronische Kilometersteine"), die in regelmäßigem Abstand im Fahrweg verlegt sind. Ortsfeste Streckensignale sind nicht mehr erforderlich, können jedoch als Rückfallebene vorgesehen werden. Der Datenaustausch erfolgt kontinuierlich über Funk (Euroradio, GSM-R) zwischen dem Fahrzeug und der Funkblockzentrale. Die Betriebweise entspricht der der Linienzugbeeinflussung (LZB). Von der Funkblockzentrale wird in Abhängigkeit von den Streckenmerkmalen und der Fahrstraßenverfügbarkeit ein statisches Geschwindigkeitsprofil auf das Triebfahrzeug übermittelt. Hier wird unter Berücksichtigung der aktuellen Geschwindigkeit und der Zugparameter (z. B. Bremshundertstel) ein dynamisches Geschwindigkeitsprofil berechnet, das überwacht wird. Die Abstandshaltung der Züge erfolgt über das Prinzip des Fahrens im festen Raumabstand. Dem Triebfahrzeugführer wird über eine Führerstandssignalisierung (Eurocab) die Sollgeschwindigkeit, Zielgeschwindigkeit und Zielentfernung angezeigt. Die Gleisfreimeldung und Vollständigkeitsprüfung erfolgt hierbei aber immer noch über streckenfeste Einrichtungen wie Gleisstromkreise oder Achszähler. Bei der Deutschen Bahn wird diese Systemstufe von ETCS auch als Funkzugbeeinflussung (FZB, analog zu PZB und LZB) bezeichnet.

Bei ETCS Level 3 wird auch auf ortsfeste Systeme zur Gleisfreimeldung verzichtet. Es verbleiben nur noch Balisen zur Grobortung der Züge im Gleis. Der Datenaustausch funktioniert wie bei Level 2 über Funk (Euroradio, GSM-R). Zusätzlich wird die Zugvollständigkeit zugseitig überprüft (Zugintegritätsprüfung). Die eigenständige Positionsbestimmung und Vollständigkeitsprüfung der Züge ermöglicht es, vollständig auf Streckeneinrichtungen wie Signale, Linienleiter oder Gleisstromkreise zu verzichten. Durch die Ortungsmeldung der Züge an die Funkblockzentrale kann immer festgestellt werden, welchen Punkt des Fahrweges der Zug sicher geräumt hat. Wenn bei hinreichend kurzen Ortungsintervallen eine quasikontinuierliche Fahrwegfreigabe erreicht wird, nähert sich die Abstandshaltung der Züge dem Prinzip des Fahrens im absoluten Bremswegabstand. Ein Verzicht auf die Eurobalisen könnte durch den Einsatz eines satellitengestützten Positionierungssystems zur Grobortung ermöglicht werden (z. B. GPS). In dieser Systemstufe ist die Installation eines ortsfesten Signalsystems als Rückfallebene aufgrund der fehlenden Gleisfreimeldeanlagen nicht mehr möglich.

Ausrüstungsstufe ETCS Level 1 ETCS Level 2 ETCS Level 3
erf. Streckenausrüstung - Ortsfeste Signale
- Gleisfreimeldeeinrichtung
- schaltbare Balisen
- Infill-Schleife (optional)
- Gleisfreimeldeeinrichtung
- nicht schaltbare Balisen
- Funkblockzentrale
- nicht schaltbare Balisen
- Funkblockzentrale
erf. Fahrzeugausrüstung - ETCS-Fahrzeuggerät
- Ortungseinrichtung
- ETCS-Fahrzeuggerät
- Ortungseinrichtung
- GSM-R Funkeinrichtung
- ETCS-Fahrzeuggerät
- Ortungseinrichtung
- GSM-R Funkeinrichtung
- Zugintegritätskontrolle
ETCS-Ausrüstungsstufen

Die Einführung des ETCS-Systems wird durch die Abwärtskompatibilität der Ausrüstungsstufen erleichtert. Diese ermöglicht es Zügen, die bereits über Einrichtungen für ETCS Level 3 verfügen, auf Strecken die nur mit ETCS Level 1 ausgerüstet sind zu fahren. Weiterhin ermöglichen die Specific Transmission Modules (STM) die Weiterbenutzung der nationalen Zugsicherungssysteme (z. B. Indusi, LZB, ZUB, SIGNUM, TVM) in einer Übergangsphase. Die STM-Module übersetzen Informationen von diesen alten Zugsicherungssystemen so, dass ein mit einem ETCS-Fahrzeuggerät ausgestattetes Triebfahrzeug diese Strecken mit eingeschränkter ETCS-Funktionalität befahren kann, ohne dass - wie sonst üblich - ein eigenständiges Fahrzeuggerät für das andere Zugsicherungssystem erforderlich ist.

Auf verschiedenen Teststrecken in der Schweiz, Österreich, Italien, Deutschland und Frankreich wurden ETCS-Teststrecken ausgerüstet, auf denen Komponenten des ETCS unter Betriebsbedingungen erprobt werden. Auf diesen Teststrecken wird der Betrieb jedoch weiterhin mit konventioneller Technick geführt. Die erste Anwendungsstrecke, auf der das ETCS unter voller Sicherheitsverantwortung in Betrieb ist, befindet sich in der Schweiz auf dem Abschnitt Zofingen - Sempach der Strecke Olten - Luzern. Eine Übersicht über die ETCS-Test- und Anwendungsstrecken geben folgende Tabellen.

Strecke Infrastrukturbetreiber Beginn der Tests
Firenze Campo di Marte - Arezzo FS Anfang 2000
Jüterborg - Halle/Leipzig DB Netz AG 2000
Tournan - Marles-en-Brie RFF/SNCF Ende 2000
Wien - Budapest ÖBB, MAV 1999
Zürich - Chur SBB 1997
ETCS-Teststrecken [Pachl 2003]
 
Strecke Infrastrukturbetreiber ETCS Level
Olten - Luzern SBB Level 2 (realisiert im Abschnitt Zofingen - Sempach)
Roma - Napoli FS Level 2 (geplant)
Köln - Rhein/Main DB Netz AG Übergangslösung mit LZB
Nürnberg - Ingolstadt DB Netz AG Übergangslösung mit LZB
West Coast Main Line Railtrack Level 2 (ursprünglich Level 3 geplant)
ETCS-Anwendungsstrecken [Pachl 2003]

Eine weitere Systemstufe, ETCS Level 4, wurde für Regionalnetze entwickelt. Ziel hierbei ist es ebenfalls, vollständig auf streckenseitige Sicherungseinrichtungen zu verzichten. Der Zug erhält die Fahrerlaubnis über eine Funkverbindung, die nur temporär aufgebaut wird. Dieses System ist für die Ausrüstung von regionalen Verkehrsnetzen vorgesehen, und muss daher auch eine Vielzahl von höhengleichen Bahnübergängen berücksichtigen. In Schweden wurde es als Radio Block System eingeführt, in Deutschland wurde der sog. Funk-Fahr-Betrieb (FFB) erprobt.

Literatur:


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