4. Anwendungsbereiche und Machbarkeit
4.1 Technische und organisatorische Grundlagen
Bei der Realisierung von Anlagen zur Zuflussdosierung sind eine Reihe von technischen und organisatorischen Vorraussetzungen zu beachten. Der Bericht des U. S. Department of Transportation "Ramp Metering Status in North America - 1995 Upgrade" [13] enthält eine ausführliche Beschreibung des Überlegungen, die bei der Zuflussdosierung zu berücksichtigen sind.
Dosierungsraten
Für das Funktionieren einer Zuflussdosierung ist es wichtig die Umlaufzeit und den Anteil der Grünzeit (Dosierungsrate) bei den „Lichtsignal-Pförtneranlagen“ [5] optimal einzustellen. Nach der Inbetriebnahme einer Anlage erfordert es noch mehrere Wochen oder Monate, um diese Systemparameter zu kalibrieren. Daher ist es wichtig, den Betrieb dieser Anlagen genau zu beobachten. Für die Dosierungsraten gibt es praktische Ober- und Untergrenzen. Die im Folgenden genannten Raten basieren auf Erfahrungen aus den USA, für Deutschland liegen noch keine Richtwerte vor.
Die maximale Rate, mit der Fahrzeuge über eine Zufahrt der Autobahn zufließen können, liegt bei 900 Fahrzeugen pro Stunde. Der Grund hierfür ist die minimal sinnvolle Umlaufzeit von 4 Sekunden (2,5 Sekunden 'Rot' bzw. 'Rot' und 'Gelb' und 1,5 Sekunden 'Grün'). Eine höhere Rate ist nur möglich, wenn zwei Fahrzeuge pro 'Grün' auffahren können (1100 bis 1200 Fzg/h), oder, wenn die Auffahrt auf zwei Spuren aufgeweitet wird (ca. 1800 Fzg/h). Eine Zuflussdosierung an Auffahrten mit hohen Verkehrsstärken führt zu einer Reihe von Problemen und erfordert eine genauere Untersuchung.
Die kleinste mögliche Durchlassrate liegt bei 240 Fahrzeugen pro Stunde. Dies folgt aus der Tatsache, dass Autofahrer nicht bereit sind mehr als 15 Sekunden an einer roten Ampel zu warten. Bei längeren Wartezeiten nimmt die Missachtung des Rotlichts deutlich zu.
Geometrie der Zufahrten
Zahlreiche Bundesstaaten der USA haben für Auffahrten mit Zuflussdosierung Entwurfsrichtlinien herausgegeben. Verschiedene Eigenschaften, die für die Eignung von Auffahrten für Zuflussdosierung entscheidend sind, werden in diesen Richtlinien festgelegt. Die drei wichtigsten Vorraussetzungen sind die Verfügbarkeit von Stauraum auf den Zufahrtsrampen, eine ausreichende Länge der Beschleunigungsspur und des Verflechtungsbereichs im Anschluss an die Lichtsignal-Pförtneranlage und die Sichtweite/Sichtbarkeit.
Der erforderliche Stauraum vor der Lichtsignalanlage ist abhängig von der geplanten Dosierungsrate und dem Verkehrsaufkommen auf der Auffahrt. Dabei ist es wichtig, dass der Verkehr im nachgeordneten städtischen Straßennetz nicht durch Warteschlangen behindert wird. Die am häufigsten angewandte Methode, den Stauraum zu erweitern, ist die Einrichtung von zwei oder mehr Spuren vor der Ampel. Es gibt jedoch verschiedene Methoden, den Verkehr auf mehrspurigen Auffahrten zu dosieren.
Zur Berechnung des erforderlichen Stauraums werden verschiedene Methoden angewandt. In Minneapolis wird der Stauraum abgeschätzt, indem Raum für 10 % der vorhandenen Verkehrsstärke geschaffen wird (d. h. für 50 Fahrzeuge, wenn die Verkehrsstärke vor der Zuflussdosierung 500 Fahrzeuge in der Spitzenstunde beträgt). In Kalifornien wird ein Zufluss-Abfluss-Diagramm benutzt, um die maximale Länge der Warteschlange zu ermitteln. Andere gebräuchliche Methoden beruhen auf rechnergestützten Simulationsprogrammen (z. B. FREQ, FRESIM, FRED).
Es ist jedoch nicht immer möglich ausreichenden Stauraum vorzusehen. In San Diego werden die Signalschaltungen an benachbarten Kreuzungen erfolgreich so koordiniert, dass die Auswirkungen der Warteschlangen an Auffahrten auf den übrigen Verkehr minimiert werden. In den meisten Systemen sind sogenannte Stauschleifen ("queue detection loops") installiert, die das Erreichen der maximal zulässigen Warteschlangenlänge detektieren, worauf die Dosierungsraten entsprechend angepasst werden. Stauschleifen oder Videoüberwachungsanlagen können auch dazu benutzt werden, um den Steuerungsalgorithmus manuell zu übergehen, und die Auffahrt bei Bedarf freizugeben.
Die Länge der Beschleunigungsspur muss so groß sein, dass Fahrzeuge aus dem Stand auf Autobahngeschwindigkeit beschleunigen können. Zu berücksichtigen sind dabei die Fahreigenschaften des Schwerlastverkehrs und von Kleinwagen sowie die Steigung der Auffahrt. In vielen Fällen war in den USA eine Verlängerung des Beschleunigungsspuren erforderlich, um einen sicheren Verflechtungsvorgang zu gewährleisten. Untersuchungen in Deutschland ergaben, dass der Abstand zwischen Haltebalken an der Lichtsignalanlage und Ende der Beschleunigungsspur mindestens 200 m betragen muss [11].
Die Sichtbarkeit der Lichtsignalanlage auf der Auffahrt ist die dritte Voraussetzung. Dies ist besonders wichtig, da viele Auffahrten eine starke Krümmung aufweisen und die Autofahrer in der Regel nicht erwarten, an einer Ampel vor der Auffahrt anhalten zu müssen. Daher werden in den meisten Fällen Voranzeiger in Form von statischen Verkehrszeichen oder blinkende Warnsignale benutzt.
Lichtsignale
In den USA gibt es zwar keine einheitliche nationale Vorschrift für die Form der Lichtsignale, Abschnitt 4E-22 des Manual on Uniform Traffic Control Devices (MUTCD) enthält aber einige Empfehlungen. In der Praxis werden hauptsächlich entweder Zweiabschnitts-Signale ("two section heads") oder Dreiabschnitts-Signale („three section heads“) eingesetzt. Das Zweiabschnitts-Signal zeit ein grünes und ein rotes Licht, das Dreiabschnitts-Signal "Grün", "Gelb" und "Rot", wobei einige Verwaltungen das gelbe Licht nur während der Startphase der Zuflussdosierung als Warnsignal einsetzen (z. B. Denver).
Welcher Signaltyp eingesetzt wird, sollte auf die Betriebsweise der Zuflussdosierung, die Erwartungen der Autofahrer und die örtlichen Entwurfsgrundsätze abgestimmt sein. Jede Verwaltung sollte aber innerhalb ihres Systems einheitlich nur einen Typ einsetzen.
In Deutschland gibt es noch keine einheitliche Regelung. In München (A 94) werden Signale mit einem roten und einem gelben Licht eingesetzt ("Rot-Gelb-Dunkel-LSA"). Das grüne Licht wird nicht gezeigt, da es dem Autofahrer "Freie Fahrt" für den folgenden Kreuzungsbereich anzeigt, an Autobahnauffahrten der Verkehr im Hauptstrom aber gegenüber dem einfädelnden Verkehr "Vorfahrt" hat. Die Auffahrt auf die Autobahn ist jeweils nur einem Fahrzeug gestattet, wenn das rote Licht erlischt. Im Fall der Zuflussdosierung an der A 40 im Ruhrgebiet wird auch das grüne Licht gezeigt ("Rot-Gelb-Grün-LSA" [11]). Durch ein Zusatzschild an der Ampel "Nur ein Fahrzeug bei Grün" wird dem Autofahrer mitgeteilt, dass nur jeweils ein Fahrzeug bei Grün auf die Autobahn auffahren darf.
Durchsetzung
Die Effektivität von Anlagen zur Zuflussdosierung hängt entscheidend von der Beachtung der Signale durch die Autofahrer ab. Daher ist es wichtig, die Öffentlichkeit vor Einführung einer Zuflussdosierung über das Projekt zu informieren, eine eindeutige Beschilderung sicherzustellen und die Maßnahmen zur Durchsetzung der Regeln mit der örtlichen Polizei abzustimmen. Zur Information der Autofahrer gehören die Aufklärung über das System der Zuflussdosierung – die Funktionsweisen und die Auswirkungen –, die Bedeutung der Lichtsignal-Pförtneranlagen bzw. der Beschilderung und die Folgen bei Nichtbeachtung der Zuflussdosierung. In den USA existieren bereits entsprechende gesetzliche Regelungen; in Deutschland müssen noch die Ergebnisse der zwei Pilotanlagen abgewartet werden, bevor eine einheitliche Regelung in die Straßenverkehrsordnung aufgenommen werden kann.
Die Zusammenarbeit mit der örtlichen Polizei ist bereits in der Planungsphase erforderlich, um die notwendigen baulichen Vorkehrungen an den Auffahrten abzustimmen. Es muss geeigneter Raum vorgesehen werden, um Autofahrer, die das Rotlicht nicht beachten, anzuhalten, das Personal muss ausgebildet werden, die Regelung muss durch die Gerichte unterstützt werden und schließlich muss die Beschilderung durchgehend klar und eindeutig sein.
Die Beachtung des Rotlichts ist maßgeblich für den Erfolg einer Zuflussdosierung. Die Erfahrungen aus den USA sind durchweg positiv. Das Problem besteht darin, dass anfänglich vereinzelte Rotlichtverstöße, sich schnell vervielfachen, wenn die Durchsetzung nicht konsequent von Anfang an erfolgt. Die Missachtung durch die Autofahrer würde schnell zu einem extrem ineffektiven System führen und die positiven Effekte aufheben.
Öffentliche Akzeptanz
Ein wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit Zuflussdosierung ist die öffentliche und die politische Unterstützung für ein solches Projekt. Öffentlichkeitskampagnen sind daher immer erforderlich, um die Öffentlichkeit (insbesondere die Autofahrer) und die politischen Entscheidungsträger im Voraus von den Vorteilen der Zuflussdosierung zu überzeugen.
Allgemein werden Ampeln an Autobahnauffahrten als Einschränkung der Freiheit der Autofahrer verstanden. Die Vorteile, die durch die Zuflussdosierung für alle Autofahrer entstehen, sind nicht immer offensichtlich und müssen daher mittels einer Informationskampagne deutlich gemacht werden. Die Angst vor einer negativen Reaktion der Öffentlichkeit ist oft der Grund bzw. eine Entschuldigung für die Stadtverwaltungen, eine Zuflussdosierung nicht zu befürworten.
Eine Informationskampagne sollte die Schwierigkeiten bei der Verbesserung des Verkehrssituation auf Autobahnen und die Wirksamkeit von Verkehrsbeeinflussungssystemen wie der Zuflussdosierung erklären. Außerdem sollten die Vorteile eines solchen Systems und dessen Auswirkungen auf die Verkehrssituation deutlich gemacht werden. Einige Möglichkeiten, den Autofahrern diese Informationen zu vermitteln, sind Informationsbroschüren, Flugblätter, Werbung in Fernsehen und Radio, die Aufnahme entsprechender Lehrinhalte in das Kurrikulum der Fahrschulen und Videofilme.
Ein Streitpunkt in den USA ist die Tatsache, dass die Zuflussdosierung längere Wege auf Kosten der kurzen Wege bevorzugen kann. Das Problem tritt auf, wenn nur die Autobahnauffahrten im engeren Innenstadtbereich mit Zuflussdosierung ausgestattet sind, die Auffahrten in den Vorstädten aber nicht. Innenstadtbewohner wären dann benachteiligt, da die Bewohner der Vorstädte ungehindert auf die Autobahn auffahren könnten und trotzdem von den Vorteilen der Zuflussdosierung profitieren würden. Lösungsansätze in den USA bestehen darin, zuerst nur die Auffahrten für den stadtauswärts gerichteten Verkehr zu dosieren, und erst nach erfolgreicher Einführung des Systems, dieses weiter auszubauen. Andere Verwaltungen beziehen direkt alle Auffahrten einer Autobahn in das System der Zuflussdosierung mit ein, und begrenzen die Zufahrt an allen Auffahrten einheitlich auf den gleichen Prozentsatz. Die Schaffung einer absoluten Gleichbehandlung aller Autofahrer ist allerdings nicht möglich. Vielmehr muss es das Ziel sein, die Nachteile insgesamt zu minimieren und dadurch die Akzeptanz zu steigern.