Verkehrsbeeinflussung durch Zuflussdosierung
2.4 Der Minnesota Algorithmus Inhaltsverzeichnis 3.2 Erfahrungen in Deutschland

3. Vor- und Nachteile der Zuflussdosierung

3.1 Erfahrungen in den USA

3.1.1 Ergebnisse von Fallstudien zur Zuflussdosierung

In den USA sind viele Fallstudien von Anlagen zur Zuflussdosierung (siehe Tabellen 2.1 bis 2.3) durchgeführt worden. Diese Fallstudien umfassen alle Arten von Zuflussdosierung: "entrance ramp metering", "connector metering" und "mainline metering". Zuerst werden die generellen Vor- und Nachteile dieser Anlagen beschrieben; unter 3.1.2 wird auf die Besonderheiten der Sonderformen eingegangen. Einige Ergebnisse von Fallstudien an "entrance ramp metering" Anlagen sind in Tabelle 3.1 zusammengestellt.

Nr. Ort Zeitraum Maximale Verkehrsstärke
[Fzg/h]
Reisege-
schwindigkeit
[km/h]
Reisezeit
[min]
Unfallzahlen Unfallrate
1 Portland, Oregon 01.1981 - 03.1982   26 > 66
(+ 60 %)
23 > 9
(- 60 %)
- 43 %  
2.1 Minneapolis/St. Paul, Minnesota 1970 - 1984 + 25 % 60 > 69
(+ 13 %)
  - 24 % - 38 %
2.2 Minneapolis, freeway management project 1974 - 1984 + 32 % 55 > 74
(+ 35 %)
  -27 % - 38 %
3 Seattle, Washington 1981 - 1987 + 74 %   22 > 11
(- 50 %)
  - 39 %
4.1 Denver, Colorado 03.1981 - 09.1982   + 57 % - 37 % - 5 %  
4.2 Denver, System Coordination Plan 1981 - 1989 6200 > 7350  69 > 80
(+ 14 %)
  ± 0 % - 50 %
5 Detroit, Michigan 09.1982 - 09.1985 5600 > 6400  + 8 %   - 50 %  
6 Austin, Texas 1970er + 7,9 % + 60 %      
7.1 Long Island, New York 1989   47 > 56
(+ 16 %)
26 > 21
(- 20 %)
   
7.2 Long Island, INFORM 1991 + 2 % 64 > 71
(+ 9 %)
  - 15 %  
Tab. 3.1: Ergebnisse von Fallstudien in den USA [13]

Die in der obenstehenden Tabelle 3.1 wiedergegebenen Ergebnisse sind nicht in jedem Fall miteinander vergleichbar. Der Zeitraum, auf den sie sich beziehen, ist entweder einfach vor und nach der Installation einer Zuflussdosierung (Nr. 6 bis 7.2), oder ein Vergleich der Situation vor der Zuflussdosierung mit einer Situation nach einigen Jahren/Monaten (Nr. 1 bis 5). Außerdem sind die durchgeführten Maß­nahmen in jedem Fall unterschiedlich. In einigen Fällen beschränkt sich die Maß­nahme allein auf eine Zuflussdosierung, in anderen Fällen ist die Zuflussdosierung integriert in ein Verkehrsbeeinflussungssystem oder wird sogar von baulichen Erweiterungen des Straßennetzes begleitet. In allen Fällen ist jedoch ein System der Zuflussdosierung maßgeblich an den Veränderungen beteiligt. Daher kann der Trend, der sich aus diesen Zahlen ergibt, eindeutig auf eine Zuflussdosierung zurückgeführt werden. Alle Zahlen beziehen sich auf die Zeiträume, in denen die Zuflussdosierung aktiviert war, also in der Regel auf die Verkehrsspitzenzeiten eines Tages.

Leistungsfähigkeit

Durch eine Zuflussdosierung wird die Leistungsfähigkeit des Verkehrsweges in allen Fällen gesteigert. Die höheren Verkehrsstärken können aufgenommen werden, ohne den Verkehrsfluss negativ zu beeinflussen. Die Steigerungen von bis zu 74 % sind jedoch nicht allein auf die Zuflussdosierung zurückzuführen, sondern sind eine Folge des allgemein gestiegenen Verkehrsaufkommens. Dass diese Steigerungen von der vorhandenen Infrastruktur bewältigt werden können, ist zu einem großen Teil einem erfolgreichen System der Zuflussdosierung zuzuschreiben.

Aber nicht nur die Verkehrsstärken im Hauptstrom sind zu Spitzenzeiten wesentlich höher (in vielen Fällen wurden Verkehrsstärken von über 2.100 Fahrzeugen pro Stunde pro Spur gemessen). In einigen Fällen führt der verbesserte Verkehrsfluss im Hauptstrom auch zu höheren Verkehrsstärken auf den Auffahrten mit Zuflussdosierung. Dies liegt daran, dass der Verkehrsfluss durch die Zuflussdosierung aufrecht erhalten werden kann, während bei einem Zusammenbruch des Verkehrs ohne Zuflussdosierung auch auf die Autobahn auffahrende Fahrzeuge blockiert werden.

Geschwindigkeit und Reisezeit

Die mittleren Geschwindigkeiten im Hauptstrom steigen um bis zu 60 % wodurch gleichzeitig die mittleren Reisezeiten um bis zu 60 % sinken, wenn eine Zuflussdosierung eingeführt wird. Auch die Reisegeschwindigkeit der Fahrzeuge, die von der Zuflussdosierung an den Auffahrten direkt betroffen sind, erhöht sich. Dies wurde in Long Island, New York untersucht. Die mittlere Geschwindigkeit im Hauptstrom stieg von 47 auf 56 km/h (um 16 %), die der Fahrzeuge, die an Auffahrten mit Zuflussdosierung auf die Autobahn auffuhren, stieg von 37 auf 45 km/h (+18 %). Ähnliches gilt für die Reisezeit, die im Hauptstrom von 26 auf 21 Minuten sank (-20 %) und sich für Fahrzeuge von zuflussdosierten Auffahrten um 13,1 % reduzierte [13].

Die Bewertung des INFORM Projektes in Long Island, New York beinhaltete die Berechnung eines sogenannten "Congestion Index". Das ist der Anteil der überwachten Zonen, in denen die Geschwindigkeit kleiner als 48 km/h (= 30 mph) ist. Anhand dieses Indices lässt sich auch eine Verbesserung der Verkehrsbedingungen ablesen. In der Abendspitze verbesserte sich dieser Index um 25 %.

Unfallhäufigkeit

Die Unfallhäufigkeit ist als Folge der Zuflussdosierung in allen Fällen zurückgegangen. Vor allem wenn man die Unfallraten betrachtet, die den Einfluss der höheren Verkehrsbelastung berücksichtigen, wird die gestiegene Verkehrssicherheit deutlich. Auch wenn, wie im Beispiel von Denver (4.2), die absoluten Unfallzahlen nicht zurückgingen, bedeutete dies aufgrund des gestiegenen Verkehrsaufkommens einen Rückgang der Unfallrate.

Bei den hier betrachteten Unfällen handelt es sich um Auffahrunfälle und seitliche Kollisionen im Zuge des Verflechtungsvorgangs. Die Pulkzerstückelung trägt hier wesentlich zur Entschärfung der Sicherheitslage im Verflechtungsbereich bei, da sich einzelne Fahrzeuge sehr viel einfacher in den Verkehrs im Hauptstrom einfädeln können, als Gruppen von Fahrzeugen. Auch durch die Harmonisierung der Geschwindigkeiten auf der Schnellstraße kommt es zu weniger Konflikten zwischen unterschiedlich schnellen Fahrzeugen.

Emissionen

Die Auswirkungen auf die Umwelt wurden in einigen Fallstudien ebenfalls untersucht. Dabei wurden die Veränderungen beim Kraftstoffverbrauch der Fahrzeuge und die Veränderungen der Schadstoffemissionen (Kohlenmonoxid CO, Kohlenwasserstoffe HC und Stickstoffoxide NOX) näher betrachtet. Die Ergebnisse sind in Tabelle 3.2 zusammengestellt.

Ort
Kraftstoff-
verbrauch
Schadstoffemissionen
CO
HC
NOX
Portland, Oregon
- 2040 l/d
     
Minneapolis, Minnesota  
- 2 × 106 kg/a
Long Island, New York
- 6,7 %
- 17,4 %
- 13,1 %
+ 2,4 %
Tab. 3.2: Kraftstoffverbrauch und Schadstoffemissionen [13]

Der flüssigere Verkehrsfluss führte zu einer Reduktion des Kraftstoffverbrauchs und zu reduzierten Schadstoffemissionen. Die gestiegenen Emissionen bei den Stickoxiden (NOX) der Untersuchung in New York sind auf die höheren Reisegeschwindigkeiten zurückzuführen. Für eine umfassende Betrachtung der Auswirkungen auf die Umwelt sind diese Einzelergebnisse jedoch nicht ausreichend. Vor allem für die Beurteilung des Umfangs der Veränderungen sind weitere Untersuchungen erforderlich. Der generelle Trend ist jedoch plausibel und eindeutig.

Verkehrsverlagerung

Durch eine Zuflussdosierung kann es zu gewünschten oder unerwünschten Verlagerungen des Verkehrs auf andere Strecken kommen. So können kurze Fahrten von Autobahnen auf andere Strecken des nachgeordneten Netzes verlagert werden. Da die Autobahnen eigentlich nicht für Kurzstreckenfahrten konzipiert sind, kann diese Verlagerung sogar eine gewollte Auswirkung der Zuflussdosierung sein, wenn die alternativen Strecken noch Kapazitätsreserven aufweisen. Auch kann durch eine Zuflussdosierung der Verkehr von stark belasteten oder anderweitig problematischen Auffahrten auf andere, weniger belastete, Auffahrten gelenkt werden.

Viele Stadtverwaltungen vermuten ein Problem in der Verkehrsverlagerung von Autobahnen hin zu den städtischen Straßen. Daher wurden viele Untersuchungen der Auswirkung von Zuflussdosierung auf das Verkehrsaufkommen der angrenzenden Straßen durchgeführt. In Los Angeles, Denver, Seattle, Detroit und vielen anderen Städten wurden keine nennenswerten Verkehrsverlagerungen festgestellt [13].

In einigen Fällen ist aber eine Verlagerung des Verkehrs auf alternative Strecken gar nicht möglich. Diese Systeme arbeiten trotzdem erfolgreich, indem sie die Zeiträume mit Verkehrsstauungen reduzieren und teilweise sogar den Zusammenbruch des Verkehrs verhindern. Hier kommt es in vielen Fällen zu einer zeitlichen Verlagerung des Verkehrs, wodurch es die Verkehrsspitzen entschärft werden. So wurde zum Beispiel in Denver beobachtet, dass viele Autofahrer die Autobahn früher am Morgen benutzten. Die Verkehrsspitzen wurden so abgeflacht und über einen längeren Zeitraum verteilt, so dass die Verkehrskapazität der Autobahn besser genutzt wurde [13].

Zu einer ungewünschten Verlagerung des Verkehrs auf andere Strecken muss es aber nicht kommen. Wenn das System optimal funktioniert, können die oben erwähnten Vorteile (Verkehrsleistung, Geschwindigkeit und Reisezeit) voll zum tragen kommen. Dadurch gewinnt die Autobahn an Attraktivität, so dass eher mehr Fahrzeuge angezogen, als durch die Wartezeiten bei der Zuflussdosierung abgeschreckt werden.

Stellenweise wird die Zuflussdosierung sogar zur gezielten Verlagerung des Verkehrs auf andere Strecken eingesetzt. Dies zeigt eine Fallstudie in Seattle Washington. Dort wurden zwei Auffahrtsrampen an der SR-520 mit Zuflussdosierungsanlagen ausgestattet, mit dem Ziel den Berufsverkehr aus einem Wohngebiet herauszuhalten. Vor der Einrichtung der Zuflussdosierung nutzten viele Fahrer Schleichwege durch ein Wohngebiet, um die Verkehrsstauungen vor einem Engpass (Brücke) zu umgehen. Nach Inbetriebnahme der Anlagen verbesserte sich der Verkehrsfluss auf der SR-520 insgesamt und die Verkehrsbelastung des Wohngebietes nahm deutlich ab. Eine weitere Zielsetzung dieses Projekts war, einen Anreiz zur Nutzung des öffentlichen Verkehrs (siehe unten) und mittels HOV Umgehungsspuren zur Bildung von Fahrgemeinschaften ("carpooling") zu geben.

Öffentlicher Verkehr

Dass eine Zuflussdosierung nicht nur dem motorisierten Individualverkehr, sondern auch dem öffentlichen Verkehr (hier vor allem Busverkehr) Vorteile bietet, wird in der oben erwähnten Fallstudie aus Seattle, Washington deutlich. Die Zuflussdosierung in Kombination mit einer HOV Umgehungsspur führte zu einer Reduzierung der Busfahrzeiten. Die Reisezeiten mit dem METRO Busverkehr (King County Department of Metropolitan Services) verringerten sich um 3 bzw. um 4 Minuten. Die Pünktlichkeit dieser Busse wurde auch verbessert, so dass METRO die Fahrpläne entsprechend anpassen konnte [13]. Dies ist wiederum ein Anreiz zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel.

3.1.2 Sonderformen der Zuflussdosierung

"Connector Metering"

Die Zuflussdosierung an Verbindungsrampen zwischen zwei Autobahnen ("connector metering") ist eine Variante der Zuflussdosierung an Autobahnauffahrten ("entrance ramp metering"), für das aber generell die gleichen Bedingungen gelten. Der Unterschied besteht in den höheren Verkehrsstärken und Geschwindigkeiten, sowie den höheren Anforderungen an Sichtweite, Warteraum und Voranzeiger. Im Allgemeinen wird diese Form der Zuflussdosierung nötig, wenn die Begrenzung des Zuflusses an Autobahnauffahrten allein nicht mehr ausreicht, um einen flüssigen Verkehr sicherzustellen. Die unter 3.1.1 genannten Vorteile treffen also auch für diese Form der Zuflussdosierung zu.

Eine Anlage in San Diego, Kalifornien wurde installiert um Verkehrsstörungen auf einem stark belasteten Teilstück der I-8 zu reduzieren. Das Ergebnis war ein Anstieg der Verkehrsstärke bis zu 2.500 Fahrzeugen pro Stunde pro Spur und mittlere Geschwindigkeiten von 97 km/h. Die Wartezeiten betragen an dieser Stelle bis zu 8 Minuten während der Spitzenstunde. Aber da es nur selten zu einem vollständigen Stillstand der Fahrzeuge kommt, ist die Akzeptanz unter den Autofahrern sehr hoch und es gibt kaum Beschwerden. Auch die Anlagen in Los Angeles, Kalifornien und Minneapolis/St. Paul, Minnesota (siehe Tabelle 2.2) haben ähnliche Erfolge vorzuweisen [13].

Die Zuflussdosierung an Verbindungsrampen trägt wesentlich zur Gleichbehandlung der Autobahnbenutzer bei, da sie unabhängig vom Auffahrtstyp (Anschlussstelle oder Verbindungsrampe) aufgehalten werden. Ohne "connector metering" wären die übrigen Autofahrer benachteiligt, die an normalen Anschlussstellen auf die Autobahn auffahren. In allen Fällen ist eine Zuflussdosierung an Verbindungsrampen erfolgreich zur verbesserten Steuerung des Verkehrsflusses und der Verzögerungen durch Wartezeiten eingesetzt worden. Die Akzeptanz der Benutzer war in den meisten Fällen trotz teilweise langer Rückstaus und großer Wartezeiten sehr hoch, da sie die erhöhte Leistungsfähigkeit des Verkehrsweges zu schätzen wussten.

"Mainline Metering"

Die Zuflussdosierung im Hauptstrom ("mainline metering") wird in den USA vereinzelt vor gewissen Engpässen im Straßennetz angewandt (siehe Tabelle 2.3). Diese Form der Zuflussdosierung wird von vielen noch kritisch betrachtet, da hier die Vorteile nicht eindeutig überwiegen. Erfahrungen hierzu liegen aus Oakland (Kalifornien), vom Hampton Roads Tunnel und vom Baltimore Harbor Tunnel vor.

In Oakland befindet sich die Zuflussdosierung vor einer Mautstation der San Francisco-Oakland Bay Bridge. Trotz der teilweise langen Warteschlangen mit bis zu 30 Minuten Wartezeit, werden drei Vorteile für die Reisenden erreicht. Erstens sorgt der geordnete Verkehrsfluss für einen konfliktfreien Verflechtungsvorgang nach der Station. Zweitens kann der Schwerlastverkehr an der Steigung vor der Brücke besser beschleunigen, wenn der Verkehr dort nicht zum Stillstand kommt. Und schließlich wurde durch die Zuflussdosierung die Anzahl der Zwischenfälle auf der Brücke deutlich reduziert.

Die Zuflussdosierungen vor dem Hampton Roads Tunnel und dem Baltimore Harbor Tunnel führten zu den gleichen positiven Ergebnissen: Der Ausstoß von Kohlenmonoxid (CO) im Tunnel wurde drastisch reduziert, wodurch weniger Lüftungs­energie erforderlich war. Außerdem wurde die Verfügbarkeit des Verkehrs­weges erhöht, da weniger Fahrzeuge wegen Überhitzung im Tunnel liegen blieben. Der Verbesserte Verkehrsfluss in den Tunnels führte zu höheren Geschwindigkeiten und Leistungsfähigkeitssteigerungen von bis zu 10 %. Wegen mangelnder politischer Unterstützung wurden diese beiden Anlagen jedoch wieder abgebaut.

Diese Fallstudien zum "mainline metering" zeigen, wie die Zuflussdosierung zur Steuerung der Stauereignisse eingesetzt werden kann. Oft ist ein Stau nicht zu vermeiden, aber durch die Auswahl des optimalen Ortes für die Bildung von Warteschlangen (= Stau) können die sich aus dem Stau ergebenden Behinderungen und Nachteile minimiert werden. Es zeigt sich aber auch in den letzten beiden Fallstudien, dass eine Zuflussdosierung nicht erfolgreich sein kann, wenn die politische Unterstützung für ein solches Projekt fehlt.

2.4 Der Minnesota Algorithmus Inhaltsverzeichnis 3.2 Erfahrungen in Deutschland

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