Verkehrsbeeinflussung durch Zuflussdosierung
2.2 Zuflussdosierung in den USA Inhaltsverzeichnis 2.4 Der Minnesota Algorithmus

2.3 Zuflussdosierung in Deutschland

Die erste Anlage zur Zuflussdosierung in Deutschland ging 1976 auf der A 3 an der Anschlussstelle Bonn/Siegburg in Betrieb. Diese musste aber aus verschiedenen Gründen, vor allem wegen Mängeln in der Steuerlogik, wieder abgebaut werden [11]. In Deutschland gibt es zur Zeit drei Pilotprojekte, in denen die Zuflussdosierung erprobt wird. Dies sind die Anlagen an der A 94 Neue Messe München, an der A 40 (Ruhrschnellweg) im Ruhrgebiet zwischen Gelsenkirchen und Bochum und eine Anlage an der A1 bei Schwerte.

Nr. Ort Beschreibung
1 A 94, München Erste Anlage zur Zuflussdosierung in Deutschland im Regelbetrieb, Zuflussdosierung an drei Auffahrten stadtauswärts, Inbetriebnahme 1998
2 A1, Schwerte Zuflussdosierung an einer Auffahrt in Fahrtrichtung Köln, Inbetriebnahme 20. Januar 1999
3 A 40, Ruhrgebiet Anlage als Ergänzung zur Streckenbe­einflussungs­anlage, Zuflussdosierung an fünf Anschlussstellen zwischen Gelsenkirchen und Bochum Stahlhausen in Fahrtrichtung Dortmund, Probebetrieb seit 13. April 1999
Tab. 2.4: Anlagen zur Zuflussdosierung in Deutschland

Im folgenden werden die Anlagen zur Zuflussdosierung, die zur Zeit in Deutschland in Betrieb sind, näher beschrieben.

A 94 Neue Messe München

Die Bundesautobahn A 94 ist eine neue Autobahn zwischen der Landeshauptstadt München und Passau, die in Teilstücken bereits fertiggestellt ist. Früher diente sie der verkehrlichen Anbindung des Flughafens München Riem. Nach der Verlegung des Flughafens ins Erdinger Moos hat das Verkehrsaufkommen auf der A 94 zunächst stark abgenommen. Die Eröffnung der Neuen Messe München am 12. Februar 1998 hatte jedoch einen starken Anstieg der Verkehrsbelastung vor allem zu Spitzenzeiten zur Folge, der durch die geplante Messestadt mit ca. 16.000 Einwohnern und 13.000 Arbeitsplätzen (Fertigstellung bis 2010) noch verstärkt werden dürfte. Nach Fertigstellung stellt die A 94 eine wichtige Alternativroute zur A 8 Ost München - Salzburg und zur A 92 München - Deggendorf dar (siehe auch Abbildung 2.3). [2] [6]


Abb. 2.3: Autobahnen im Großraum München [2]

An der A 94 wurde daher zwischen der Anschlussstelle München-Steinhausen bis zur Anschlussstelle Parsdorf in beiden Richtungen ein Verkehrsleitsystem aufgebaut. Neben verschiedenen anderen Ausbaumaßnahmen dient diese Maßnahme dem Ziel, eine reibungslose Abwicklung des hohen Messeverkehrs zu gewährleisten. Das weitgehend automatisch arbeitende Verkehrsleitsystem besteht aus folgenden Bestandteilen:

Anlagen zur Zuflussdosierung wurden an den beiden Auffahrten der Anschlussstelle "München-Riem" und an der Anschlussstelle "Feldkirchen-West" jeweils in Fahrtrichtung Passau installiert (siehe Abbildung 2.4). Die Zuflussdosierung an den Messeauffahrten soll verhindern, dass es durch die Überlagerung des abendlichen Berufsverkehrs mit dem abfließenden Besucher­verkehr von der Messe stadtauswärts zu Verkehrsstörungen kommt.


Abb. 2.4: Zuflussdosierung an der A 94 Neue Messe München [2]

Das Verkehrsaufkommen auf der Autobahn wird durch Induktionsschleifen ermittelt und bei Bedarf wird der Zufluss geregelt. Die maximale Zuflussrate wird durch das System festgelegt. Dabei beruht die Steuerung der Zuflussdosierung auf den Funktionsweisen Pulkzerstückelung und Dosierung des Zuflusses (siehe 2.1.1). Bei nur geringer Belastung der A 94 kommt die Pulkzerstückelung mit kurzen Umlaufzeiten zur Anwendung. Ist die Zuflussmenge höher als die vorhandene Aufnahmekapazität der Autobahn, wird die Zuflussmenge mittels verlängerter Rotphasen so begrenzt, dass ein maximaler Abfluss auf der Autobahn aufrecht erhalten werden kann.

Das Verkehrsleitsystem im Bereich der Neuen Messe München kann als System mit integrierter Verkehrssteuerung ("integrated traffic control") bezeichnet werden. Die Lichtzeichenanlagen im städtischen Straßennetz wurden von der Landeshauptstadt München (LHM) mit einer verkehrsabhängigen Steuerung ausgestattet (Inbetriebnahme 1998). Das Ziel war eine einheitliche Steuerung der Systeme auf der A 94 und im untergeordneten Straßennetz. Für die Neue Messe München wurde durch die Firma LogiBall GmbH ein dynamisches Park- und Verkehrsleitsystem (PVLS) für die Zu- und Abfahrt zum bzw. vom Messegelände entwickelt. Dieses PVLS ist durch den Verkehrsleitstand der Messe München mit den Systemen der LHM (Lichtzeichenanlagen) und der Autobahndirektion Südbayern (Verkehrsleitsystem auf der A 94 einschließlich Zuflussdosierung) gekoppelt. Dadurch wird gewährleistet, dass bei auftretenden Störfällen koordinierende Steuerungsstrategien geschaltet werden können. [6]

A 1 Schwerte

Zwischen dem Autobahnkreuz Kamen und der Tank- und Rastanlage Lichtendorf ist die Autobahn A 1 6-streifig ausgebaut. Im weiteren Verlauf reduziert sich der Querschnitt bis zum Westhofener Kreuz auf 2 Fahrsteifen je Fahrtrichtung. Die Verkehrsnachfrage auf diesem Streckenabschnitt liegt mit bis zu 4500 Kfz/h pro Fahrtrichtung über der Leistungsfähigkeit dieses Querschnitts. Der an der Anschluss­stelle Schwerte in Richtung Köln zufließende Verkehrsstrom von ca. 800 – 1000 Kfz in der Spitzenstunde ist eine wesentlich Ursache für die häufigen Staubildungen und die daraus resultierenden Verkehrsunfälle auf der A 1 zwischen Kreuz Dort­mund/Unna und Schwerte [4].

Da sich die temporäre Sperrung dieser Auffahrt durch die Polizei in der Vergangenheit als hilfreiches Mittel zur Stauvermeidung erwiesen hatte, wurde eine elektronische Zuflussregelungs­anlage konzipiert. Mit dieser Anlage, die am 20. Januar 1999 in Betrieb ging, kann die Auffahrt Schwerte in Fahrtrichtung Köln kurzfristig, d. h. in den Verkehrsspitzen zwischen 6:30 und 8:30 Uhr, gesperrt werden [3]. Diese Anlage dient also nicht einer Zuflussdosierung im eigentlichen Sinne, sondern diese Auffahrt wird über einen längeren Zeitraum gesperrt, so dass der Verkehr auf andere Strecken ausweichen muss. Die Umleitung der Verkehrsteilnehmer erfolgt in beiden Richtungen (Nord und Süd) über die ausgeschilderte U 40 bis zu Anschlussstellen an der A 45. Trotz dieser zusätzlichen Belastung des innerstädtischen Straßennetzes wurde an dieser Verkehrsbeeinflussungsanlage festgehalten. Der Betrieb ist jedoch bis zur Fertigstellung des 6-streifigen Ausbaus der A 1, der im Jahr 2003 beendet sein soll, befristet [4].

Die Sperrung der Zufahrt wird in Abhängigkeit von der Verkehrssituation durch die regionale Verkehrsleitzentrale (RVLZ) bei der Bezirksregierung Arnsberg geregelt [3]. Dabei werden die automatisch erzeugten Daten (Belastung und Geschwindigkeit) in der RVLZ mit den Verkehrsbeobachtungen der Polizei vor Ort verglichen. Die Anlage wird eingeschaltet, wenn am stromabwärts gelegenen Messquerschnitt die Geschwindigkeit von 50 km/h unterschritten wird und die Geschwindigkeit am stromaufwärts liegenden Messquerschnitt gleich oder geringer ist. Außerdem muss gleichzeitig eine Belastungsdifferenz von mindestens 800 Fzg/h zwischen den beiden Querschnitten vorliegen. Die Ausschaltung erfolgt frühestens dann, wenn an einem der Messquerschnitte mindestens 15 Minuten lang die Geschwindigkeit von 60 km/h nicht mehr unterschritten wird und die Belastungsdifferenz bei > 800 Fzg/h liegt.

Der WDR und drei örtliche Regionalsender werden sofort von der RVLZ über die Einschaltung der Anlage informiert. Außerdem kann über ein Infotelefon jederzeit der Schaltzustand der Anlage abgefragt werden. Bei Störungen oder Baumaßnahmen auf einer der Umleitungsstrecken wird die RVLZ ebenfalls informiert, so dass diese Ereignisse in die Entscheidung zur Einschaltung der Zuflusssperrung mit einfließen können [4].

A 40 Ruhrschnellweg

Die A 40, der Ruhrschnellweg, ist die wichtigste Ost-West-Achse im Ruhrgebiet. Der rund 46 km langen Streckenabschnitt liegt zwischen dem Autobahnkreuz Duisburg-Kaiserberg und dem Autobahnkreuz Dortmund-West mit einer Verkehrsbelastung von bis zu 130.000 Kfz/24 h (siehe auch Abbildung 2.5). Damit liegt die Belastung weit über dem Bundesdurchschnitt, so dass nahezu jede Störung des Verkehrsablaufes einen Stau zur Folge hat. Zusätzlich verschärft wird diese Situation durch die hohe Anzahl von Anschlussstellen auf diesem Streckenabschnitt [18]. Außerdem verlassen sehr viele Verkehrsteilnehmer die Autobahn schon innerhalb von drei bis vier Anschlussstellen, so dass der Durchgangsverkehrsanteil sehr gering ist. Dies hat ein hohes Verkehrsaufkommen auf den Zu- und Abfahrtsrampen und damit verbunden sehr viele Fahrstreifenwechsel- und Verflechtungsvorgänge zur Folge [11].


Abb. 2.5: Autobahnen im Ruhrgebiet [18]

Um diese Situation zu entschärfen wurde durch die Landschaftsverbände Westfalen-Lippe (LWL) und Rheinland (LVR) eine Verkehrsbeeinflussungsanlage an der A 40 errichtet, die sich aus einer Anlage mit flexibler Temporegelung zwischen Mühlheim-Winkhausen und Bochum-Werne sowie einer Zuflussdosierung an fünf Anschlussstellen zusammensetzt. Die Zuflussdosierung wurde erforderlich, nachdem Untersuchungen, die im Rahmen der Planung durchgeführt wurden, ergeben hatten, dass eine flexible Temporegelung alleine nicht immer ausreicht, um den Verkehrsfluss stabil zu halten.

Dazu wurden in Form eines Pilotprojektes an den fünf Anschlussstellen Gelsenkirchen, Bochum Wattenscheid-West, Bochum Wattenscheid, Bochum Dückerweg und Bochum Stahlhausen an den Auffahrtrampen in Fahrtrichtung Dortmund Ampeln installiert, die nur so viele Fahrzeuge einfahren lassen, wie es der jeweilige Verkehrsstrom auf der Autobahn zulässt, so dass der Verkehrsfluss aufrecht erhalten werden kann (siehe Abbildung 2.6). Dabei wird die Rampe als Stauraum genutzt. Dieser Abschnitt wurde ausgewählt, da dies der höchstbelastete zweistreifige Streckenabschnitt ist und die unterschiedlichen Anschlussstellenformen besondere technische Anforderungen an die Zuflussdosierung stellen. [18]


Abb. 2.6: Zuflussdosierung an der A 40 (Ruhrschnellweg) [17]

Die Ampeln sind so geschaltet, dass mindestens ein Fahrzeug pro Minute auf die Autobahn auffahren kann. Nach jedem Fahrzeug springt die Ampel wieder auf "Rot", so dass durch die Pulkzerstückelung ein einfacher Verflechtungsvorgang erreicht wird. Die Zuflussdosierung an der A 40 ist eingebettet in ein umfassendes Verkehrsleitsystem, auch im nachgeordneten städtischen Straßennetz. So werden zum Beispiel auf Vorwegweisern Hinweise zur Zuflussdosierung gegeben. Diese Vorwegweiser zeigen eine freie Zufahrt bei ausgeschalteter Zuflussdosierung, eine Zuflussregelung bei eingeschalteter Zuflussdosierung (nur ein Fahrzeug bei "Grün") und eine gesperrte Zufahrt, wenn die Zufahrt wegen einer länger andauernden Verkehrsstörung nicht möglich ist (siehe Abbbildung 2.7). [17]


Abb. 2.7: Verkehrswegweiser vor der Auffahrt auf die A 40 [17]

Bei einem erfolgreichen Abschluss der Testphase dieser fünf Anlagen sollen alle Anschlussstellen der A 40 zwischen den Autobahnkreuzen Duisburg-Kaiserberg und Dortmund-West mit Anlagen zur Zuflussdosierung ausgerüstet werden.

2.2 Zuflussdosierung in den USA Inhaltsverzeichnis 2.4 Der Minnesota Algorithmus

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