2. Systeme der Zuflussdosierung
2.1 Allgemeine Beschreibung
2.1.1 Ziele der Zuflussdosierung
Die Zuflussdosierung ist ein Werkzeug der Verkehrsbeeinflussung, das zur Leistungsfähigkeitssteigerung bzw. zur besseren Ausnutzung der Kapazitäten von Schnellstraßen eingesetzt wird. Dabei verfolgt sie hauptsächlich zwei Ziele, die Pulkzerstückelung und die Dosierung des Zuflusses.
Bei der Pulkzerstückelung werden Pulks von mehreren Fahrzeugen, die aus dem untergeordneten Straßennetz auf eine Schnellstraße auffahren wollen, in Einzelfahrzeuge zerlegt. Diese Fahrzeugpulks entstehen im städtischen Straßennetz aufgrund der signalgesteuerten Knotenpunkte, die Fahrzeuge immer in Gruppen passieren lassen. Das übergeordnete Straßennetz (Autobahnen und kreuzungsfreie Schnellstraßen) ist aber gekennzeichnet von einem freien Verkehrsfluss, der aus Einzelfahrzeugen zusammengesetzt ist. Diese sind nur bei niedrigen Verkehrsstärken ungepulkt, sonst kommt es in der Regel auch hier zur Pulkbildung. Die Autobahnauffahrten sind also Schnittstellen zwischen zwei unterschiedlichen Systemen, die Zuflussdosierung unterstützt den Übergang zwischen diesen Systemen.
Fließt der Verkehr an den Auffahrten pulkweise auf die Autobahn ein, so kann dies zu größeren Störungen führen. Dabei übt der Nebenstrom auf den Verkehr des Hauptstroms Druck aus, der zum Abbremsen oder Spurwechsel der Fahrzeuge im Hauptstrom führen kann. Beim Verflechtungsvorgang behindern dann die sich einfädelnden Fahrzeuge den Verkehr auf der rechten Spur der Schnellstraße, weil viele Lücken in kürzester Zeit erforderlich werden. Dies wird durch die Pulkzerstückelung vermieden, da hierbei immer nur ein Fahrzeug (oder in besonderen Fällen auch kleine Gruppen von Fahrzeugen) gleichzeitig auf die Autobahn auffährt und sich so problemlos in den Hauptstrom einfädeln kann. Die insgesamt zufließende Verkehrsmenge wird dadurch nicht reduziert.
Die Dosierung des Zuflusses wird erforderlich, wenn die Zuflussmenge an einer Auffahrt die noch vorhandene Aufnahmekapazität der Autobahn übersteigt. Ein ungehinderter Zufluss an Fahrzeugen hätte den Zusammenbruch des fließenden Verkehrs auf der Autobahn zur Folge. Wird der Zuflussstrom jetzt so dosiert, dass gerade die Anzahl an Fahrzeugen auf die Autobahn auffährt, die diese maximal noch aufnehmen kann, wird die maximale Verkehrsstärke im Hauptstrom erreicht.
Diese maximale Verkehrsstärke
ist auf jeden Fall höher als die Verkehrsstärke bei ungehindertem
Zufluss, da in diesem Fall der Verkehr noch fließt. Bricht der Verkehr
aufgrund einer Kapazitätsüberlastung zusammen, so führt
dies zu einem Rückstau, der auch den Zufluss auf der Autobahnauffahrt
behindert oder sogar vollständig zum erliegen bringt. Durch die Dosierung,
in diesem Fall also Reduzierung, des Zuflusses an einer Autobahnauffahrt
wird also die maximale Ausnutzung der Kapazität des Verkehrsweges
erreicht, die allen Autofahrern - einschließlich den an der Auffahrt
zurückgehaltenen - zugute kommt.Die Gesamtverkehrsstärke soll
konstant knapp unter der maximalen Kapazität gehalten werden, was
vor allem bedeutet vereinzelt auftretende Verkehrsspitzen über einen
größeren Zeitraum zu verteilen und dadurch abzuschwächen.
2.1.2 Betriebsverfahren der Zuflussdosierung
Es gibt weltweit verschiedene Verfahren zur Steuerung einer Zuflussdosierung. Die wichtigsten vier Methoden, die in den USA zur Anwendung kommen, sind "fixed time operation", "local traffic responsive operation", "area-wide control" und "integrated traffic control" [13]. Der Hauptbestandteil jeder Anlage zur Zuflussdosierung ist ein Lichtsignal an der Autobahnauffahrt (sog. Lichtsignal-Pförtneranlage), durch das der zufließende Verkehrsstrom angehalten werden kann. Dabei kommen jedoch unterschiedliche Formen von Lichtsignalen zur Anwendung, worauf später eingegangen wird. Dabei steigen bei jedem Verfahren in der unten genannten Reihenfolge die Installations- und Unterhaltungskosten an, es wird aber auch eine bessere Wirkung erzielt. Daher sollte das eingesetzte Verfahren unter Berücksichtigung der jeweiligen Verkehrsverhältnisse und geforderten Ergebnisse ausgewählt werden.
Fixed time operation
Die Festzeitregelung („fixed time operation“) ist die einfachste Form der Zuflussdosierung. Es wird nur ein bestimmter Anteil des Forderungsstromes auf die Autobahn durchgelassen. Realisiert wird das durch einen festgelegten prozentualen Anteil Grünzeit, während der Fahrzeuge auf die Autobahn auffahren können. Auf diese Weise wird eine Pulkzerstückelung realisiert und es wird eine Obergrenze für die Verkehrsmenge festgesetzt, die der Autobahn zufließen kann.
Diese Form der Zuflussdosierung berücksichtigt nicht die Verkehrsstärke im Hauptstrom. Auch andere Einflüsse aus dem Verkehrsgeschehen werden nicht berücksichtigt. Die Durchlassrate beruht vielmehr auf durchschnittlichen Verkehrsbedingungen an einer speziellen Auffahrt zu einer bestimmten Zeit. Es ist jedoch möglich die Zuflussdosierung nur zu bestimmten Tageszeiten zu aktivieren bzw. sie bei niedriger Verkehrsbelastung (z. B. in der Nacht) auszuschalten.
Dieses Verfahren kann an einer beliebigen Anzahl von Auffahrten unabhängig voneinander realisiert werden. In den USA ist dies oft ein vorläufiges Betriebsverfahren bis die einzelnen Auffahrten in ein traffic-responsive-System integriert werden können. Wegen der fehlenden Möglichkeit zur Reaktion auf aktuelle Veränderungen im Verkehrsablauf hat sich diese Methode aber nicht bewährt und wird heute nicht mehr eingesetzt [11].
Local traffic responsive operation
Diese Form der Zuflussdosierung regelt den Zufluss in Abhängigkeit von der Verkehrsstärke im Hauptstrom. Hierbei kann die Anzahl der über die Auffahrt zufließenden Fahrzeuge begrenzt werden, wenn die Kapazitätsgrenze im Hauptstrom erreicht wird (Dosierung des Zuflusses).
Hierzu sind im Hauptstrom und in der Auffahrtsrampe Induktionsschleifen eingebaut, die die aktuelle Verkehrssituation in der näheren Umgebung erfassen und an einen Mikroprozessor weiterleiten. Aus der Verkehrsstärke im Hauptstrom und der Nachfrage auf der Zufahrt wird dann eine angemessene Durchlassrate berechnet und an die Signalsteuerung weitergebeben (siehe auch Abb. 2.1). Dieses System kann auch bei ungewöhnlichen Zwischenfällen auf der Autobahn eingesetzt werden, um den Verkehrsfluss unter Berücksichtigung der aktuellen Situation zu regulieren.
Abb. 2.1: Schemadarstellung einer Zuflussregelung [2]
Im einzelnen werden folgende Induktionsschleifen verwendet: Induktionsschleifen auf der Autobahn messen vor und nach der Anschlussstelle die Verkehrsstärke, die Abflussschleife erfasst die Fahrzeuge, die auf die Autobahn auffahren, die Anforderungsschleife detektiert Fahrzeuge, die vor der Ampel auf Freigabe warten. Diese Schleife wird auch als „Grünanforderungsschleife“ eingesetzt, wenn die Anlage Dauerrot anzeigt und nur dann auf „Grün“ schaltet, wenn ein Fahrzeug die Schleife überfährt [11]. Mittels Zählschleifen wird der Forderungsstrom auf der Zufahrtsrampe gemessen. Mit der Stauschleife wird festgestellt, ob eine maximal zulässige Warteschlangenlänge überschritten wird, so dass dann der Steuerungsalgorithmus übergangen und die Zufahrt auf die Autobahn vorzeitig freigegeben werden kann.
Da dieses System nur die Verkehrssituation an der jeweiligen Auffahrt berücksichtigt, wird es auch als "lokale Steuerungsstrategie" [11] bezeichnet.
Area-wide control (centralized computer control)
Werden die Anlagen zur Zuflussdosierung an einzelnen Ausfahrten in ein System der Verkehrsbeeinflussung integriert, das sich über einen längeren Autobahnabschnitt erstreckt, so lässt sich das Verkehrsgeschehen im übergeordneten Straßennetz sehr viel gezielter steuern. In Deutschland sind die Anlangen zur Zuflussdosierung bisher immer in eine Verkehrsbeeinflussungsanlage integriert. Mögliche Bestandteile einer solchen Verkehrsbeeinflussungsanlage (Verkehrsleitsystem) sind dynamische Wechselwegweiser, Streckenbeeinflussung, Fahrstreifensignalisierung und Videobeobachtung.
Werden alle Anlagen zur Zuflussdosierung an einer Autobahn oder einem Netz von Autobahnen von einem Zentralcomputer gesteuert, so kann die Durchlassrate an den einzelnen Anlagen unter Berücksichtigung des Verkehrsgeschehens im gesamten Netz gesteuert werden („koordinierte Steuerungsstrategie“ [11]). Dies ermöglicht die Dosierung des Zuflusses an einer Auffahrt in Abhängigkeit von der Verkehrssituation an einer ganz anderen Stelle. Anlagen zur Zuflussdosierung werden auf diese Weise so koordiniert, dass die Verkehrsstärke im überwachten Autobahnabschnitt gleichmäßig konstant gehalten werden kann. Die maximale Zuflussrate, die von der Autobahn noch aufgenommen werden kann, kann so in Abhängigkeit von den Forderungsströmen und der gewünschten Verkehrsverlagerung auf die einzelnen Auffahrten verteilt werden.
Von einem Zentralcomputer können aber auch Anlagen unter "fixed time operation" oder "local traffic responsive operation" gesteuert werden, ohne dass sie in ein "area-wide control" System integriert werden.
Integrated traffic control
Die integrierte Verkehrssteuerung beinhaltet die umfassende Kontrolle des Verkehrsgeschehens in einem Gebiet oder Korridor. Darin eingeschlossen ist nicht nur das übergeordnete Straßennetz sondern auch das nachgeordnete städtische Straßennetz, insbesondere die Lichtsignalanlagen an den Knotenpunkten, Wechselverkehrszeichen und evtl. Parkleitsysteme. Hierbei werden die Verkehrsleitsysteme der Autobahnen und die der städtischen Straßen kombiniert bzw. koordiniert. Die Steuerung erfolgt auf Basis der Verkehrssituation im gesamten Korridor.
Die Vorteile dieses Systems der integrierten Verkehrssteuerung sind verminderte Installations- und Betriebskosten, gebietsweite Beobachtung des Verkehrs, verbesserte Information der Autofahrer und die schnellere und koordinierte Verwendung von Steuerungselementen wie Zuflussdosierung, Lichtsignalanlagen, Wegweiser etc. in Abhängigkeit von den tatsächlichen Verkehrsbedingungen.