2. Analyse des Parksuchverkehrs
2.1 Allgemeines [ 2.1 | 2.2 | 2.3 | 2.4 | 2.5 ]
Zu den entfernungsabhängigen Eingangsdaten für das Programm PNV-Split zählt auch die Parkplatzsuchzeit. In diesem Kapitel sollen in der Literatur vorhandenen theoretischen Ansätze beschrieben und deren Anwendbarkeit für die Ermittlung geeigneter Eingangsdaten beurteilt werden. In den folgenden Abschnitten werden die Verfahren zur Berechnung des Parksuchverkehrs von Kipke [8] und Birkner [2] behandelt, im letzten Abschnitt dieses Kapitels wird dann ein einfaches Verfahren zur Abschätzung der Parksuchzeit in Abhängigkeit von der Entfernungsstufe entwickelt.
In der Literatur existiert leider keine einheitliche Definition des Parksuchverkehrs. Nach Birkner [2] beginnt die Parkplatzsuche mit Erreichen des ersten akzeptablen Parkstandes (= Grenze des Akzeptanzgebietes), wenn dieser bereits belegt ist. Kipke [8] definiert die Parkplatzsuchzeit als Dauer der Parksuchfahrt, die mit dem Erreichen des eigentlichen Fahrtziels beginnt und mit dem Auffinden eines freien Parkplatzes endet.
Bei den Untersuchungen, von denen Reinhold [11] berichtet, wurde der Beginn einer Parksuchfahrt anhand von Verhaltensänderungen wie der Reduzierung der Geschwindigkeit, dem Abbremsen vor vermeintlichen Parklücken oder wiederholten Abbiegevorgängen identifiziert. Diese Vorgänge finden aber in der Regel schon vor Erreichen des Ziels, nämlich beim Überschreiten der Grenze des Akzeptanzgebietes, statt. Der ersten Definition ist deshalb eher zuzustimmen.
Weiterhin kann angenommen werden, dass Parksuchverkehr erst entsteht, wenn der Verkehrsteilnehmer nicht auf Anhieb einen freien Parkplatz findet. Dies ist der Fall, wenn der erste akzeptable Parkstand im Akzeptanzgebiet belegt ist.
Neben der schon problematischen Definition des Parksuchverkehrs ergeben sich weitere Probleme, wenn man die Größe dieses Verkehrs bestimmen will. Der Grund dafür liegt in den zahlreichen, teilweise schwer quantifizierbaren Einflussfaktoren. Birkner [2] nennt hier folgende Faktoren:
2.2 Berechnung der Parkplatzsuchzeit
nach Kipke
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| 2.5 ]
Die diesem Verfahren zugrundeliegenden Größen
werden in der folgenden Tabelle 2.1 zusammengestellt. Es wird eine fiktive
Verkehrszelle betrachtet, die öffentlich zugängliche Parkplätze
am Straßenrand enthält, und in der keine anderen Parkmöglichkeiten
vorhanden sind.
Die Anzahl der Parkplätze Ni lässt
sich durch Multiplikation der Parkplatzdichte Di mit der Länge
der fiktiven Erschließungsstraße li berechnen (Ni
= Di ×
li). Die Anzahl der freien Parkplätze Fi ergibt
sich durch Multiplikation der Zahl der Parkplätze Ni mit
der Freistandsziffer fi (Fi = Ni ×
fi).
Als fiktives "Suchgebiet" legt Kipke [8] ein Gebiet
im bebauten Innenstadtbereich mit einer Kantenlänge von 800 m, entsprechend
16 Häuserbocks, fest. Dies ergibt bei einer Fläche von 0,64 km²
eine fiktive Länge der Erschließungsstraße von li
= 10 × 800 m
= 8000 m. Die Anzahl von zehn Straßen ergibt sich, wenn man auf jeder
Seite die zwei Randstraßen mitzählt. Hieraus lässt sich
ein Faktor g zur Berechnung
von li aus der Fläche der betrachteten Zelle Ai
herleiten: g = li/Ai
= 0,0125 m/m². Kipke [8] gibt in Abhängigkeit von der Aufstellart
Parkplatzdichten von 0,80 (senkrecht) und 0,33 (längs) an.
Unter der Annahme, dass die freien Parkplätze
Fi gleichmäßig über die Länge der fiktiven
Erschließungsstraße verteilt sind, findet das suchende Fahrzeug
spätestens nach Ni/(Fi+1) Parkplätzen einen
freien Parkplatz. Der mittlere Parksuchweg sp (= Wegstrecke
bis zum Auffinden eines Parkplatzes) ergibt sich dann zu:
Tabelle 2.1: Größen
zur Berechnung der Parkplatzsuchzeit nach Kipke [8]
Größe
Einheit
Bedeutung
Ni
Parkplätze
Zahl der Parkplätze
am Straßenrand in Zelle i
Di
Parkplätze/m
Parkplatzdichte
Fi
Parkplätze
Anzahl der
freien Parkplätze in Zelle i
Si
Fahrzeuge
Nach Parkplätzen
suchende Fahrzeuge in Zelle i
Da in Wirklichkeit jedoch mehrere Autofahrer Si gleichzeitig nach einem Parkplatz suchen, muss der mittlere Parksuchweg sp,mittel als Mittel aller Parksuchwege berechnet werden:
Die gesuchte Parksuchzeit tPS ergibt sich dann durch Division des mittleren Parksuchweges durch die Suchgeschwindigkeit vPS:
Kipke [8] gibt die mittlere Parksuchgeschwindigkeit mit vPS = 2,5 m/s = 9 km/h an, ermittelt aus einer Parkbefragung in München, wobei Störungen an Knotenpunkten und durch Lichtsignalanlagen mit berücksichtigt worden sind. Boltze [3] gibt für Frankfurt am Main eine geschätzte mittlere Geschwindikeit während der Parkstandsuche von 25 km/h an, wahrscheinlich ohne Berücksichtigung des Einflusses von Störungen.
Bei der Anwendung des soeben beschriebenen Ansatzes auf die Untersuchungsbeispiele dieser Arbeit ergeben sich hauptsächlich zwei Probleme. Zum einen werden hier Innenstadtbereiche betrachtet, die eben nicht nur seitliche Parkstände in "fiktiven Erschließungsstraßen" enthalten, sondern in denen ein wesentlicher Bestandteil des Parkraumangebotes durch Parkhäuser und Parkplätze abgedeckt wird. Zum anderen reichen die Untersuchungsgebiete bis in die städtischen Randbereiche bzw. ins städtische Umland, die keine durchgehende geschlossene Bebauung aufweisen, und in denen das Angebot an kostenfreien Parkplätzen sehr viel größer ist.
Zur Lösung dieser Probleme muss der Ansatz nach Kipke variiert werden. So lässt sich das Parkraumangebot in Parkhäusern und Parkplätze berücksichtigen, indem man die hier vorhandenen Stellplätze zu den im Straßenraum vorhandenen hinzuaddiert. Dabei muss allerdings auch die Parkstandsdichte erhöht werden, da durch Parkhäuser eine Erhöhung des Parkraumangebotes ohne gleichzeitige Erhöhung der Straßenlänge stattfindet. Zur Berücksichtigung der besonderen Situation in Stadtrandbereichen kann man die Fläche der betrachteten Zelle auf den bebauten Anteil reduzieren, wenn man davon ausgeht, dass nur dort eine nennenswerte Nachfrage nach Parkraum auftritt. Der geringere Parkdruck der in solchen Gebieten herrscht, geht in die Formel über die größere Anzahl vorhandener Stellplätze und die geringere Anzahl an suchenden Fahrzeugen ein.
Die Gewinnung der erforderlichen Basisdaten gestaltet
sich mehr oder weniger problematisch. Daten wie die Anzahl der verfügbaren
Parkplätze Ni und der Parkplatzdichte Di lassen
sich den Planunterlagen der Städte entnehmen oder durch eigene Zählungen
ermitteln. Die für die Bestimmung der Anzahl freier Parkplätze
Fi erforderliche Freistandsziffer und die Höhe der Nachfrage
nach Parkplätzen Si sind zeitabhängige Größen,
die durch umfangreiche Erhebungen oder Auswerten von vorhandenem Datenmaterial
ermittelt werden müssen. Für beide Werte ist das Aufstellen von
Tagesganglinien erforderlich.
2.3 Berechnung des Parksuchverkehrs nach Birkner [ 2.1 | 2.2 | 2.3 | 2.4 | 2.5 ]
Birkner [2] liefert einen Ansatz zur Abschätzung der Parksuchverkehrspotentiale, der auf der Betrachtung unterschiedlicher Nachfragegruppen, den Tagesganglinien des innerstädtischen Verkehrsaufkommens und dem Tagespegel der verschiedenen Reisezwecke beruht.
Der Ansatz geht davon aus, dass die Tagesganglinie des innerstädtischen Verkehrsaufkommens und der Tagespegel der verschiedenen Reisezwecke quantitativ bekannt sind. Eine weitere Ausgangsgröße ist der Zielverkehr ZU in unkritischen Zeitintervallen (Parkraumnachfrage < Parkraumangebot), der auf einen einzelnen akzeptablen Parkraum gerichtet ist. Unbekannt ist der Zielverkehr ZK in kritischen Zeitintervallen (Parkraumnachfrage > Parkraumangebot). Für beide gilt:
bzw.
mit: xa = nachfragegruppenbezogener
Tageszielverkehr
nai = Anteil des Zielverkehrs in der Stundengruppe i am Tageszielverkehr
der Nachfragegruppe a
Die Anteile der sechs Nachfragegruppen am Tageszielverkehr können normierten Tagesganglinien der EAR (FGSV/1991) entnommen werden. Die Nachfragegruppen sind Wirtschaftsverkehr, Besucher, Einkäufer, Auszubildende, Beschäftigte und Bewohner. Als unbekannt Größe zur Berechnung des Zielverkehs ZK verbleiben die Tageszielverkehre xa. Das unbekannte Parksuchverkehrspotential pk im Zeitintervall k kann aus der Differenz der Zielverkehrs ZK und der aus Erhebungen bekannten Anzahl der Parkvorgänge ek im Zeitintervall k berechnet werden:
pk = ZK - ek
Die Ermittlung der nachfragebezogenen Tageszielverkehre xa kann allerdings nur über eine Extremwertberechnung erfolgen, aus der sich das maximale Parksuchverkehrspotential pmax,k ergibt zu:
pmax,k = Zmax,k - ek = MAX (max xanak; max xa-1n(a-1)k; ... ; max x1n1k) - ek
mit:
Bei Birkner [2] dienen diese Berechnungen zur Abschätzung
der Fragen nach den Tageszeiten, der Größe der Potentiale und
den an der Entstehung beteiligten Nachfragegruppen. Aber auch die Parksuchzeit
könnte bei Kenntnis des Potentials ermittelt werden. Eine genaue Abschätzung
des Verkehrsaufwandes des Parksuchverkehrs ist aber aufgrund der vielfältigen
Einflüsse (siehe 2.1) nur mittels aufwendiger Erhebungen denkbar.
Die Verwendung von EDV-gestützten Verkehrsberechnungsmodellen erscheint
Birkner [2] aufgrund der erforderlichen, aber fehlenden, Genauigkeit der
Eingabedaten als nicht geeignet.
2.4 Die Parksuchzeit in Abhängigkeit vom Parkstandstyp [ 2.1 | 2.2 | 2.3 | 2.4 | 2.5 ]
Für die Gewinnung von Ausgangsdaten für
PNV× Split wird
ein Verfahren gesucht, das möglichst einfach brauchbare Ergebnisse
liefert. In Infosystem Verkehr [7] finden sich Angaben über die Parksuchzeit
und die Umschlagziffer in Abhängigkeit vom Parkstandstyp, die zu Vergleichszwecken
herangezogen werden können. Die Umschlagziffer ist die Anzahl der
Fahrzeuge, die in einem bestimmten Zeitintervall auf einem Parkstand parken.
Als Quelle dieser Daten werden Lessmann 1978 und Kipke 1992 angegeben.
Parkstandstyp | mittlere Parksuchzeit
[min] |
Umschlagziffer zwischen
6.00 Uhr und 9.00 Uhr [Fzg/Parkplatz] |
30-Min-Parkstand | 4,77 | 11,40 |
60-Min-Parkstand | 4,84 | 9,64 |
150-Min-Parkstand | 4,99 | 7,05 |
Dauerparkstand | 3,10 | 2,49 |
Parkhaus | 3,50 | 3,74 |
Parkplatz | 4,09 | 2,12 |
Privater Parkstand | 0,00 | 1,62 |
Ein Dauerparkstand ist ein Parkstand am Straßenrand,
für den keine zeitlichen Beschränkungen der Parkdauer bestehen.
Mit Parkplatz ist hier, im Unterschied zum Parkstand, eine größere
Fläche gemeint, auf der sich mehrere Parkstände befinden.
2.5 Ermittlung der Parksuchzeit in Abhängigkeit von der Entfernung [ 2.1 | 2.2 | 2.3 | 2.4 | 2.5 ]
Für einen vereinfachten Ansatz sollen die Werte aus Tabelle 2.2 hier verwendet werden, um zu einer sinnvollen Verteilung der Parkplatzsuchzeit über die Entfernung zu gelangen. Dazu wird den einzelnen Entfernungsstufen ein Mix aus Parkstandstypen zugeordnet und dann die mittlere Parkplatzsuchzeit als gewichtetes Mittel der zugehörigen Suchzeiten ermittelt. Zur Berücksichtigung der geringeren Parksuchzeit in den Außenbezirken wird hier ein zusätzlicher Parkstandtyp "Dauerparkstand (außen)" mit einer mittleren Parksuchzeit von 1,0 min eingeführt.
Zunächst werden verschiedene Stadtbereiche festgelegt,
die einen gleichmäßigen Anteil an Parkstandstypen aufweisen.
Sinnvoll erscheint hier eine Unterteilung in den "Innenstadtbereich", "Innenstadtrandbereich",
"Städtischer Randbereich" und "Außenbezirke". Um einen gleichmäßigeren
Übergang zu erreichen, wird zwischen dem Innenstadtrandbereich und
dem städtischen Randbereich ein "Übergangsbereich" angeordnet.
Stadtbereich | Anteile der Parkstandstypen | Mittl. Parksuchzeit |
Innenstadtbereich | 50 % Parkhaus
20 % 30-Min-Parkstand 30 % 60-Min-Parkstand |
4,15 min |
Innenstadtrandbereich | 20 % Parkhaus
20 % Parkplatz 30 % 60-Min-Parkstand 30 % 150-Min-Parkstand |
4,46 min |
Übergangsbereich | 20 % 150-Min-Parkstand
30 % Dauerparkstand 20 % Parkplatz 30 % privater Parkstand |
2,75 min |
Städtischer Randbereich | 50 % Dauerparkstand
50 % private Parkstand |
1,55 min |
Außenbezirke | 50 % Dauerparkstand (außen)
50 % private Parkstand |
0,50 min |
Der Innenstadtbereich ist der Bereich, der durch einen besonders hohen Parkdruck gekennzeichnet ist. In diesem Bereich sind die Parkdauern stark eingeschränkt und befinden sich besonders viele Parkhäuser, was die Parksuchzeit reduziert. Im Innenstadtrandbereich ist das Angebot an Parkhäusern geringer und die Beschränkung der Parkdauern lockerer, so dass hier die Parksuchzeit leicht ansteigt. Im städtischen Randbereich sind die Parkdauern nicht mehr beschränkt und mehr private Parkstände vorhanden. In den Außenbezirken kann der Anteil der privaten Parkstände bis zu 100 % erreichen, so dass hier die Parksuchzeit bis auf Null absinken kann.
Die Zuordnung dieser Stadtbereiche zu den einzelnen Entfernungsstufen kann durch genaue Bestimmung, aber auch durch einfache Abschätzung anhand von Stadtplänen vorgenommen werden. Beim Verfahren der genauen Bestimmung werden die in den Entfernungsstufen vorhandene Anzahl der einzelnen Parkstandstypen aus vorhandenen Daten ermittelt. Dadurch ist der tatsächliche Mix für jede Entfernung bekannt, so dass daraus die mittlere Parksuchzeit berechnet werden kann.
Die verschiedenen Stadtbereiche lassen sich aber auch aus einem Stadtplan relativ genau zuordnen, wobei dann von dem in Tabelle 2.3 angegebenen Mix ausgegangen werden kann. Es bleibt aber immer möglich bei genauerer Ortskenntnis eine Anpassung der Daten vorzunehmen. Die Zuordnung erfolgt anhand der oben gegebenen Beschreibung, nützlich sind hierbei Kenntnisse über Standorte von Parkhäusern und Einkaufszentren sowie der Art der Flächennutzung (Geschäfte, Gewerbe oder Wohnen).
So befinden sich zum Beispiel in den meisten Fällen auch im Innenstadtbereich private Parkstände, was eine geringere mittlere Parksuchzeit in diesem Bereich zur Folge hat. Es ist also möglich für jede Stadt spezifische Parksuchzeiten zu ermitteln, indem der Mix aus Parkstandstypen an die individuelle Situation in den Städten angepasst wird.