6.2 Auswirkungen auf die Bahnnutzung und Prognose der Fahrgastzahlenentwicklung [ 1 | 2 | 3 | 4 ]
Die Faktoren, die die Bahnnutzung beeinflussen und zu einer Steigerung der Fahrgastzahlen führen können, lassen sich in drei Bereiche gliedern: Die in Kapitel 5 erläuterten Bahnhofsumfeldmaßnahmen, die Baulandentwicklung im Umfeld und die Einführung der S-Bahn. Die am Bahnhof vorgesehenen Maßnahmen lassen sich in ihren Wirkungen auf den Anteil der unterschiedlichen Zubringerverkehrsmittel untersuchen. Bei der Baulandentwicklung sind die drei Bereiche neue Einwohner durch Siedlungsentwicklung (Einwohnerverkehr), Besucher- und Kundenverkehr der Geschäfte und Dienstleistungseinrichtungen und neue Arbeitsplätze in Büros und Geschäften (Beschäftigtenverkehr) zu untersuchen. Die S-Bahn-Einführung ist zwar kein direkter Bestandteil dieser Arbeit, die Auswirkungen werden aber grob abgeschätzt.
6.2.1 Bahnhofsumfeldmaßnahmen [ 1 | 2 | 3 | 4 ]
Abbildung 6.1: Wichtigkeit
von Bahnhofsumfeldmaßnahmen bzgl. der Bahnnutzung für verschiedene
Zubringerverkehrsmittel [eigene Befragung]
Bei der Passantenbefragung in Krefeld-Uerdingen wurde die Wichtigkeit der einzelnen Maßnahmen bzgl. der Bahnnutzung abgefragt. In Abbildung 6.1 sind die Ergebnisse getrennt nach den Zubringerverkehrsmitteln Bus/Straßenbahn, Pkw (Fahrer), Radfahrer und Fußgänger dargestellt [19]. Der Tunneldurchstich ist erwartungsgemäß vor allem für Fußgänger und Radfahrer von Bedeutung. Die Verbesserung der Aufenthaltsqualität ist vor allem für Fußgänger wichtig. Die Verbesserung der Sicherheit ist für alle Verkehrsmittel relativ wichtig, während die Ansiedlung von Geschäften im Bahnhofsumfeld mit Ausnahme der Fußgänger eher unwichtig ist. Erwartungsgemäß ist die Park+Ride-Anlage vor allem für Autofahrer und die Bike+Ride-Anlage hauptsächlich für Radfahrer von hoher Wichtigkeit. Im Folgenden werden die möglichen Steigerungsraten für die einzelnen Bahnhofsumfeldmaßnahmen abgeschätzt.
Verlängerung des Bahnhofstunnels
Die Verlängerung des Bahnhofstunnels auf die andere Bahnseite (Tunneldurchstich) ist von entscheidender Bedeutung für die Bewohner des Wohngebietes nordwestlich der Bahnlinie (statistische Bezirke 181 Hohenbudberg und 183 Uerdingen-Stadtpark). Wie in Abbildung 6.2 dargestellt, erweitert sich der 1000-m-Einzugsbereich, aber vor allem der 500-m-Einzugsbereich durch diese Maßnahme erheblich. Der 500-m-Einzugsradius ist hauptsächlich für die Straßenbahnhaltestelle am Bahnhof von Bedeutung, so dass durch den Tunneldurchstich eine enorme Steigerung des Fahrastpotenzials der Straßenbahn erzielt wird.
Abbildung 6.2: 1000-m- und 500-m-Einzugsbereiche des Bahnhofs
Uerdingen mit und ohne Tunneldurchstich [Grundlage: Stadtkarte 1997]
Die Einwohnerzahlen in den jeweiligen Einzugsbereichen wurden aus den blockbezogenen Einwohnerdaten der Stadt Krefeld [Krefeld 1999b] nach statistischen Bezirken ermittelt. Danach hat die Verlängerung des Bahnhofstunnels eine Steigerung der Einwohnerzahlen im 500-m-Einzugsbereich um 58 % und im 1000-m-Einzugsbereich um 12 % zur Folge (Tabelle 6.2). Hierbei werden die Einwohner aus der Siedlungsentwicklung noch nicht berücksichtigt (siehe Abschnitt 6.2.2).
Statistischer Bezirk | 181 Hohen budberg |
182 Uerdingen- Markt |
183 Uerdingen- Stadtpark |
180 Uerdingen (gesamt) |
Differenz [abs.] |
Differenz [%] |
500-m-Einzugsbereich: | ||||||
- Ohne Tunneldurchstich | 1.030 | 2.090 | 170 | 3.290 | ||
- Mit Tunneldurchstich | 1.470 | 2.090 | 1.640 | 5.200 | 1.910 | 58 % |
1000-m-Einzugsbereich: | ||||||
- Ohne Tunneldurchstich | 2.680 | 5.190 | 4.260 | 12.130 | ||
- Mit Tunneldurchstich | 3.230 | 5.190 | 5.140 | 13.560 | 1.430 | 12 % |
Hier werden nur die Steigerung der Fahrgastzahlen für den Nahverkehr der Deutschen Bahn abgeschätzt, die Auswirkungen für die Nutzung der Straßenbahn spielen hier keine Rolle. Unter der Annahme, dass die Bevölkerungsstruktur der innerhalb der Bezirke gleichmäßig verteilt ist und die Einwohner daher die gleiche Affinität bezüglich der Bahnnutzung aufweisen, wird eine Steigerungsrate im Fußgängerverkehr für den Tunneldurchstich von 12 % angesetzt (entsprechend der Steigerung der Einwohnerzahlen im 1000-m-Einzugsradius). Aus dem engeren Umkreis des Bahnhof wird sich der Fahrradverkehr zum Bahnhof in Grenzen halten, da der Einzugsradius für Fahrradfahrer größer als 1000 m anzunehmen ist. Da der Tunneldurchstich aber auch eine erhebliche Erleichterung für die Erreichbarkeit mit dem Fahrrad darstellt, wird eine Steigerung der Fahrgastzahlen für den Fahrradverkehr mit 5 % angesetzt. Für Personen die mit Straßenbahn, Bus, der Deutschen Bahn oder dem eigenen Pkw zum Bahnhof kommen, ist der Tunneldurchstich ohne Bedeutung. Für Fahrgäste, die mit dem Pkw zum Bahnhof gebracht werden, ergibt sich nordwestlich des Bahnhof am neuen Eingang eine zusätzliche Zugangsmöglichkeit, so dass die Fahrgastzahlen für diesen Verkehr leicht ansteigen werden (ca. 2 %).
Verbesserung des Bahnsteigzugangs
Die Verbesserung des Bahnsteigzugangs wurde in der Befragung von allen Personengruppen als mittelmäßig wichtig eingestuft. Gemeint ist mit dieser Maßnahme vor allem der stufenfreie Zugang zum Bahnsteig durch die Installation eines Aufzuges und den Zugang zum Bahnhofstunnel über Rampen. Daher ist diese Maßnahme vor allem für ältere Personen, Personen mit schwerem Gepäck oder Kinderwagen, sowie für Gehbehinderte wichtig. Außerdem wird die Fahrradmitnahme in der Bahn erleichtert. Die einzige Gruppe, für die der Bahnsteigzugang unwichtig ist, sind Umsteiger von der Deutschen Bahn, die den Bahnsteig für den Umsteigevorgang nicht verlassen müssen. Für alle anderen Zubringerverkehrsmittel wird eine leichte Steigerung der Fahrgastzahlen um 2 % angenommen.
Verbesserung der Aufenthaltsqualität und der Sicherheit
Durch die verbesserte städtebauliche Integration des Bahnhofs werden die Aufenthaltsqualität und die Sicherheit gesteigert. Auf der einen Seite sorgt die Vorplatzgestaltung mit einer geschlossenen Platzrandbebauung, ausreichend Aufenthaltsfläche für Fußgänger, Begrünung und Sitzgelegenheiten für eine gesteigerte Aufenthaltsqualität. Die am Bahnhofsvorplatz angesiedelten Geschäfte haben einen verstärkten Kundenverkehr am Bahnhof zur Folge, was den Bahnhofsvorplatz zusätzlich belebt. Durch die Anwesenheit des Geschäftspersonals sowie der Kunden und Bahnfahrgäste im und am Bahnhof wird die soziale Sicherheit im Bahnhofsbereich verbessert. Die Geschäftsinhaber sind auch daran interessiert, dass die Sauberkeit am Bahnhof gewährleistet ist und der Vandalismus verringert wird. Durch die erhöhte Frequentierung des Bahnhofs und das Eigeninteresse der Geschäftsleute an einem guten Zustand des Bahnhofsbereichs werden Aufenthaltsqualität und Sicherheit am Bahnhof soweit gesteigert, dass Bahnfahrgäste nicht mehr durch Mängel in diesen Bereichen vom Bahnfahren bzw. von einer Nutzung des Verkehrsangebotes am Bahnhof Uerdingen abgehalten werden.
Bei der Passantenbefragung wurde die Aufenthaltsqualität auf dem Bahnhofsvorplatz, aber vor allem die Verbesserung der Sicherheitslage als wichtiger Bestandteil eines Umfeldkonzepts bewertet. Die Erfahrungen aus den USA zeigen, dass die ÖPNV Nutzung durch eine ästhetisch ansprechende Umgebung und durch eine gute soziale Sicherheit um insgesamt 6 % gesteigert werden können (vgl. Tabelle 2.9). Da die Steigerung in Deutschland auf Grund der besseren Ausgangssituation etwas niedriger ausfallen sollte, wird die Fahrgaststeigerung für alle Zubringerverkehrmittel mit 5 % angenommen. Die Umsteiger im Nahverkehr der Deutschen Bahn profitieren zwar nicht von den Verbesserungen auf dem Bahnhofsvorplatz, jedoch ist die gesteigerte Sicherheit auch hier für die Attraktivität des Bahnhofs Uerdingen als Umsteigehaltepunkt von Bedeutung. Die Fahrgaststeigerung wird hier daher mit 2 % angenommen.
Fahrradstation und B+R-Anlage
Durch die Fahrradstation mit den entsprechenden Serviceangeboten auf dem Bahnhofsvorplatz und die B+R-Stellplätze am neuen Bahnhofseingang an der Lange Straße wird die Attraktivität des Bahnhofs für den Fahrradverkehr gesteigert. Vor allem die sichere Abstellmöglichkeit für Fahrräder trägt dazu bei, dass mehr Fahrgäste mit dem Fahrrad zum Bahnhof kommen werden. Die Möglichkeit, in der Radstation Fahrräder auszuleihen, eröffnet aber auch Potenziale im Zielverkehr nach Uerdingen, vor allem im Freizeitverkehr.
Erfahrungen mit der Einrichtung von Radstationen und bewachten Fahrradabstellplätzen an anderen Bahnhöfen haben gezeigt, dass hohe Steigerungsraten im Zubringerverkehr mit dem Fahrrad möglich sind. Bei der Abschätzung hier sind nur die Auswirkungen der Radstation zu berücksichtigen, da die Folgen der verbesserten Einbindung ins Radwegenetz getrennt behandelt werden. Auf Grund des sehr niedrigen Ausgangsniveaus im Zubringerverkehr mit dem Fahrrad (6 % aus der VRR-Zählung im Vergleich zu 20 % im Krefelder Binnenverkehr) kann hier eine Steigerung von mindestens 20 % erwartet werden. Davon werden der Radstation/B+R-Anlage hier 10 % zugeschrieben. Für die anderen Verkehrsmittel im Zubringerverkehr ist diese Maßnahme nicht von Bedeutung.
Fuß- und Radwegeverbindungen
Die verbesserte Anbindung des Bahnhofs im Fußgänger- und Radverkehr steigert die Erreichbarkeit mit diesen Verkehrsmitteln. Der Fußgängerverkehr profitiert von der attraktiver gestalteten Verbindung zwischen der Uerdinger Innenstadt/Rheinufer und dem Bahnhof sowie von der neuen Fußwegeverbindung durch den Siedlungsbereich auf dem Babcock-Gelände, der das Wohngebiet nordwestlich der Bahnlinie besser an den Bahnhof (neuer Eingang) anbindet. Für den Radverkehr sind sowohl die Achse der Krefelder Promenade als auch die neue Verbindung Stadtpark - Bahnhof - Innenstadt/Rheinufer entscheidend. Außerdem wird die Radverkehrssituation entlang der Uerdinger Durchgangsstraßen Bahnhofstraße und Lange Straße, die den Bahnhof tangieren, durch die Anlage von straßenbegleitenden Fahrradwegen verbessert. Wie im vorherigen Abschnitt schon erläutert, kann der Radverkehr auf Grund des niedrigeren Ausgangsniveaus durch diese Maßnahmen um 10 % gesteigert werden. Die Steigerung im Zubringerverkehr zu Fuß wird dagegen mit 5 % niedriger angenommen, da der Bahnhof auch heute schon fußläufig generell gut, wenn auch wenig attraktiv, zu erreichen ist (die Auswirkungen des Tunneldurchstichs wurden getrennt ermittelt).
Park+Ride-Verkehr
Die Kapazität der Park+Ride-Anlage wird zwar geringfügig auf 150 Stellplätze erweitert, durch diese Maßnahme sollen aber keine neuen P+R-Nutzer gewonnen werden. Die Kapazitätserweiterung dient nur der Aufnahme der zusätzlichen Fahrzeuge aus den Fahrgaststeigerungen, die durch die anderen Maßnahmen erzielt werden. Die Zunahme des Verkehrsaufkommens im Allgemeinen hat aber auch Auswirkungen auf den P+R-Verkehr. Bei der eigenen Befragung wurde ein wesentlich höherer Anteil des Pkw-Zubringerverkehrs als bei der VRR-Zählung 1996 festgestellt. Da die Befragung aber auf Grund des geringen Stichprobenumfangs nicht repräsentativ sein kann, ist dies nur ein Indiz für ein gestiegenes P+R-Aufkommen. Um den steigenden Pendlerverkehr in Zukunft umweltfreundlich abwickeln zu können, ist auch eine Steigerung der P+R-Nutzung durch geeignete Maßnahmen erforderlich. Eine Kapazitätserweiterung am Bahnhof Uerdingen ist durch die Errichtung eines Parkdecks jedoch noch möglich. Für die P+R-Anlage alleine wird daher hier keine Steigerung angesetzt (+ 0 %).
Zubringerverkehrsmittel | Fuß | Rad | Strab/ Bus | Pkw (Fahrer) | Pkw (Mitfahrer) | DB | Gesamt |
Maßnahmen: | |||||||
Tunneldurchstich | 12 % | 5 % | - | - | 2 % | - | |
Bahnsteigzugang | 2 % | 2 % | 2 % | 2 % | 2 % | - | |
Aufenthaltsqualität/Sicherheit | 5 % | 5 % | 5 % | 5 % | 5 % | 2 % | |
B+R-Anlage, Fahrradstation | - | 10 % | - | - | - | - | |
Fuß- und Radwege | 5 % | 10 % | - | - | - | - | |
P+R-Anlage | - | - | - | 0 % | - | - | |
Fahrgastzahlenprognose: | |||||||
prozentuale Steigerung (1) | 24 % | 32 % | 7 % | 7 % | 9 % | 2 % | 18 % |
Ausgangsniveau (2) | 592 | 61 | 244 | 89 | 72 | 31 | 1089 |
Steigerung (3) = (1) x (2) | 142 | 20 | 17 | 6 | 6 | 1 | 192 |
Prognose (4) = (2) + (3) | 734 | 81 | 261 | 95 | 78 | 32 | 1281 |
In Tabelle 6.3 werden die ermittelten bzw. abgeschätzten Steigerungsraten für die einzelnen Maßnahmen zusammengefasst und auf die Zahlen der VRR-Fahrgastzählung angesetzt. Durch Addition der Steigerungsraten ergibt sich die entsprechende Steigerung der Fahrgastzahlen für jedes Zubringerverkehrsmittel. Daraus ergibt sich die Prognose der Fahrastzahlen in Folge aller konzipierten Bahnhofsumfeldmaßnahmen. Insgesamt steigen die Fahrgastzahlen durch alle Maßnahmen um ca. 190 Fahrgäste (ca. 18 %) von 1090 auf 1280 Fahrgäste pro Werktag. Dabei ist zu beachten, dass dies keine exakte Fahrgastprognose, sondern nur eine Abschätzung der insgesamt zu erwartenden Fahrgastzuwächse ist.
6.2.2 Baulandentwicklung im Umfeld [ 1 | 2 | 3 | 4 ]
Einwohnerverkehr
Durch die Siedlungsentwicklung im Bahnhofsumfeld entsteht neuer Einwohnerverkehr. Die Berechnung der Anzahl der zusätzlichen Bahnnutzer (Ein- und Aussteiger) aus der Siedlungsentwicklung ist in Anhang D wiedergegeben, die wichtigsten Eingangsdaten und Ergebnisse sind in Tabelle 6.4 zusammengefasst. Dabei wird bei der Berechnung zwischen den Einwohnern im 1000-m-Einzugsbereich des Bahnhofs ohne Tunneldurchstich („Alte Einwohner“) und den neu zugezogenen Einwohnern auf dem Babcock-Gelände und östlich der Bahnstrecke („Neue Einwohner“) unterschieden. Die neuen Einwohner sind mit dem Tunneldurchstich fußläufig optimal an den Bahnhof angebunden, da dann die gesamte Siedlungsentwicklung im 500-m-Einzugsbereich stattfindet. 1999 wohnten im 1000-m-Einzugsbereich des Bahnhofs 12.130 Einwohner (siehe Tabelle 6.2), durch die Siedlungsentwicklung erhöht sich diese Zahl um 1120 Einwohner (siehe Tabelle 5.1). Mit Hilfe der Wegehäufigkeiten (Mobilitätsraten) aus dem „Leitfaden zur Abschätzung der Verkehrserzeugung durch Vorhaben der Bauleitplanung“ [HLSV 1999, S. 19] für ältere und neuere Wohngebiete in Städten wird die Anzahl der Wege für alle Verkehrsmittel pro Werktag berechnet. Der Unterschied bei den Mobilitätsraten liegt darin begründet, dass bei neuen Wohngebieten mit jüngeren und vielen erwerbstätigen Einwohnern die Mobilität deutlich höher ist als in Bestandsgebieten [vgl. HLSV 1999, S. 19].
Alte Einwohner | Neue Einwohner | ||
Einwohnerzahl | 12.130 | 1120 | [EW] |
Wegehäufigkeit (Mobilität) | 2,8 | 3,8 | [Wege/(Werktag x EW)] |
Wege (alle Verkehrsmittel) [20] | 29.888 | 3.745 | [Wege/Werktag] |
ÖV-Anteil | 11 % | 14 % | [1] |
ÖV-Wege | 3.366 | 527 | [Wege/Werktag] |
Bahnnutzung (ohne Maßnahmen) | 592 | 93 | [Ein- u. Aussteiger/Werktag] |
Bahnnutzung (mit Maßnahmen) | 734 | 115 | [Ein- u. Aussteiger/Werktag] |
Die in der Studie „Baulandentwicklung an der Schiene“ [ILS 1999] angebebenen ÖV-Anteile für die Wegezwecke Beruf, Ausbildung, Versorgung und Freizeit (siehe Abbildung 2.8) werden verwendet, um die ÖV-Wege pro Werktag zu berechnen. Dazu werden die Wege für alle Verkehrsmittel zuerst entsprechend den Anteilen der Wegezwecke nach [ILS 1999, S. 26] aufgeteilt. Die Dienst-, Geschäfts- und Begleitwege werden bei der Berechnung der ÖV-Wege nicht berücksichtigt, da diese nur einen sehr geringen ÖV-Anteil haben. Für die Einwohner des neuen Wohngebietes werden die ÖV-Anteile jeweils um 25 % angehoben, da davon ausgegangen wird, dass für dieses Gebiet ein offensives Marketing nach dem Motto „Wohnen am Bahnhof“ durchgeführt wird. Ein solches Marketing-Konzept hat das Ziel, die Lagegunst des neuen Wohngebietes in der Nähe des Bahnhofs so zu nutzen, dass der Pkw-Besatz verringert und der Modal Split Anteil des ÖPNV gesteigert wird. Bestandteil dieses Konzeptes ist die Förderung des autofreien Wohnens und der Bahnnutzung, wie in Abschnitt 5.1 beschrieben.
Um von der Anzahl der ÖV-Wege pro Werktag auf die Bahnnutzung, d. h. die Ein- und Aussteiger am Bahnhof Uerdingen, schließen zu können werden die Fahrgastzahlen im Fußgängerzubringerverkehr aus der VRR-Fahrgastzählung bzw. aus der Fahrgastprognose nach Abschnitt 6.2.1 zugrundegelegt (siehe Tabelle 6.3). Dabei wird jeweils angenommen, dass der Anteil der ÖV-Wege, die mit der Bahn zurückgelegt werden („Bahn-Anteil“), für „alte“ und „neue“ Einwohner gleich bleibt. Ohne die Bahnhofsumfeldmaßnahmen ergibt sich dann eine Steigerung der Fahrgastzahlen durch die Siedlungsentwicklung um 93 Fahrgäste auf 685 Fahrgäste pro Werktag (Bahn-Anteil: 18 %). Werden alle Bahnhofsumfeldmaßnahmen realisiert, so steigen die Fahrgastzahlen um 115 Fahrgäste auf 849 Fahrgäste pro Werktag (Bahn-Anteil: 22 %). Das entspricht jeweils einer Steigerung von 16 % bezogen auf die Bahnnutzung der alten Einwohner ohne bzw. mit Berücksichtigung der Bahnhofsumfeldmaßnahmen.
Beschäftigtenverkehr
Durch die Ansiedlung von neuem Gewerbe und Dienstleistungen im Bahnhofsumfeld entsteht Neuverkehr durch den Berufsverkehr der in den Büros und Geschäften beschäftigten Personen. Da die Beschäftigtendichte sehr stark von der Funktion der gewerblichen Nutzung abhängt und nicht genau vorgegeben werden kann, lässt sich die Beschäftigtenzahl nur sehr grob abschätzen. Für die hier vorliegende gemischte gewerbliche Nutzung aus Büro- und Geschäftsnutzung wird daher mit einer Bandbreite (Minimal- und Maximalwert) gerechnet. Bei Annahme einer Beschäftigtendichte von 50 - 100 Beschäftigten pro ha Bruttobaulandfläche [vgl. HLSV 1999, S. 24] ergibt sich für das Babcock-Gelände (2 ha, 60 % Gewerbeanteil) eine Beschäftigtenzahl von 60 - 120 Beschäftigten und für das Gelände östlich der Bahn einschließlich Bahnhofsvorplatz (3 ha, 60 % Gewerbeanteil) eine Beschäftigtenanzahl von 90 - 180 Beschäftigten (vgl. Tabelle 5.1). Die Wegehäufigkeit im Beschäftigtenverkehr wird für Handwerk und Dienstleistung mit 2,5 - 3,0 Wege/Beschäftigtem abgeschätzt [vgl. HLSV 1999, S. 26]. Daraus ergibt sich eine Bandbreite von 375 - 900 Wege je Werktag für alle Verkehrsmittel.
Minimalwert | Maximalwert | ||
Beschäftigtendichte | 50 | 100 | [Beschäftigte/ha] |
Beschäftigtenanzahl | 150 | 300 | [Beschäftigte] |
Wegehäufigkeit | 2,5 | 3,0 | [Wege/(Werktag x Beschäftigte)] |
Wege (alle Verkehrsmittel) | 375 | 900 | [Wege/Werktag] |
ÖV-Anteil | 22 % | [1] | |
Bahn-Anteil | 18 % | 22 % | [1] |
Bahnnutzung | 15 | 43 | [Ein- u. Aussteiger/Werktag] |
Mit dem ÖV-Anteil für Wege im Berufsverkehr nach [ILS 1999] für Bewohner im 1000-m-Einzugsbereich von Schienenhaltepunkten (22 %) und dem für den Einwohnerverkehr berechneten Bahn-Anteil ohne bzw. mit Bahnhofsumfeldmaßnahmen (18 % bzw. 22 %) ergibt sich für den Beschäftigtenverkehr eine Bandbreite von 15 - 43 Ein- und Aussteigern pro Werktag, die durch die Ansiedlung von Büros und Geschäften im Bahnhofsumfeld hinzugewonnen werden können (das entspricht einem Mittelwert von 29 Ein- und Aussteigern).
Besucher- und Kundenverkehr
Ein weiterer Anteil an Neuverkehr entsteht durch die Besucher und Kunden der Geschäfte und Dienstleistungen im Bahnhofsbereich. Dieser Anteil wird hier vernachlässigt, da er nur unwesentlich zu Fahrgaststeigerungen bei der Bahn beiträgt. Einerseits entsteht hier kein Kundenverkehr in großem Umfang, da keine großflächigen Einzelhandelseinrichtungen vorgesehen sind. Andererseits wird auf Grund der Nutzungsmischung in diesem Gebiet davon ausgegangen, dass ein großer Anteil dieser Wege im NMIV zurückgelegt wird. Die Geschäfte decken den täglichen und erweiterten Bedarf der Uerdinger Bevölkerung, so dass der größte Anteil der Kunden aus Uerdingen selber kommt. Aus dem regionalen Einzugsbereich von Uerdingen sind auch Kunden zu erwarten. Da das Einzelhandelsangebot am Bahnhof aber nur ein ergänzendes Angebot zu dem in der Uerdinger Innenstadt bereits vorhandenen darstellt, wird dadurch nur geringer Neuverkehr erzeugt. Fahrgaststeigerungen sind dagegen bei einer Steigerung der Attraktivität des Stadtteils Uerdingen als Einkaufs- und Freizeitstandort insgesamt zu erwarten. Die Aufwertung des Bahnhofsumfeldes ist aber nur ein Bestandteil eines Stadtteilkonzeptes für Uerdingen, so dass diese Auswirkungen hier nicht weiter berücksichtigt werden.
6.2.3 S-Bahn Einführung [ 1 | 2 | 3 | 4 ]
Das Angebot einer S-Bahnverbindung ist im Vergleich mit dem bisherigen Nahverkehrsangebot der Deutschen Bahn auf dieser Strecke mit Qualitätssteigerungen verbunden. Vor allem die Pünktlichkeit der Züge wird erhöht und es werden attraktivere Fahrzeuge eingesetzt. Diese beiden Aspekte, vor allem aber die Pünktlichkeit, wurden bei der Passantenbefragung in Krefeld-Uerdingen als sehr wichtig eingestuft. Auf Grund der im S-Bahnverkehr in Zukunft eingesetzten Triebzüge kann evtl. auch die Fahrzeit verkürzt werden, was für die Attraktivität des Angebots aber von nicht so entscheidender Bedeutung ist. Das Angebot eines 20-Min-Taktes im S-Bahnverkehr wäre eine weitere wichtige Qualitätssteigerung. Die Erweiterung des Fahrtenangebotes wird von den Fahrgästen allerdings als nicht so wichtig erachtet und ist bei Einführung der S-Bahn auch noch nicht vorgesehen.
Bei einer umfangreichen Marketing-Kampagne vor Einführung der S-Bahn und einer offensiven Vermarktung des neuen Angebots können durch diese Maßnahme neue Fahrgäste gewonnen werden. Diese Fahrgastzuwächse stehen natürlich auch im Zusammenhang mit den Bahnhofsumfeldmaßnahmen, die zusammen mit der S-Bahn Einführung streckenbezogen durchgeführt werden. Daher dürfen die bereits unter 6.2.1 berücksichtigten Steigerungsraten für die Maßnahmen zur Verbesserung des Bahnhofsumfeldes hier nicht noch einmal angesetzt werden.
Ein Beispiel für die Einrichtung eines neuen S-Bahn Angebotes ist die Regiobahn zwischen Mettmann und Kaarst über Düsseldorf und Neuss. Die von der Deutschen Bahn auf dieser Strecke betriebene Regionalbahn RB 34 verzeichnete sinkende Fahrgastzahlen, so dass das Angebot hier immer weiter eingeschränkt wurde. Dies führte zu weiter sinkenden Fahrgastzahlen, was die Strecke zunehmend unwirtschaftlich machte. Um die Stilllegung dieser Strecke zu verhindern, wurde der Betrieb von einer regionalen Bahngesellschaft übernommen, die die Haltepunkte aufwertete und mit modernen Dieselfahrzeugen einen S-Bahn-Betrieb aufbaute. Diese Linie hat am 26. September 1999 als S 28 ihren Betrieb aufgenommen und ist damit die neuste S-Bahnlinie im VRR. Bereits nach wenigen Wochen konnten die prognostizierten Fahrgastzahlen von 3.000 Fahrgästen pro Werktag mit 4.100 Fahrgästen weit übertroffen werden [Regiobahn 1999]. Langfristig wird eine Steigerung der Fahrgastzahlen auf werktäglich 15.000 Fahrgäste erwartet. Laut einem Vortrag, der 1992 an der Universität Dortmund gehalten wurden, waren zu dieser Zeit im Korridor der Regiobahn 1.000 Fahrgäste mit der Bahn unterwegs, weitere 7.000 Fahrgäste wurden hier im Busverkehr verzeichnet. Daraus ergibt sich die enorme Steigerung der Fahrastzahlen um 310 % direkt nach Einführung der S-Bahn, wovon ein Teil dieser Zuwächse auf Umsteiger vom Bus zurückzuführen ist. Der größte Teil der Busfahrgäste wird aber erst mit der Einführung des 20-Min-Taktes und der Vertaktung des Busverkehrs mit den Fahrplan der Regiobahn zum Fahrplanwechsel im Mai 2000 auf die Bahn umsteigen, so dass diese Steigerungsrate hauptsächlich auf neue Fahrgäste infolge des attraktiveren Nahverkehrsangebotes zurückzuführen ist.
Dieses Beispiel zeigt, dass durch ein attraktives Nahverkehrsangebot auf der Schiene große Fahrgastpotenziale mobilisiert werden können. Bei der Einführung der S 21 auf der Strecke Mönchengladbach - Krefeld - Duisburg sind daher auch Fahrgastzuwächse zu erwarten, auch wenn diese auf Grund des auch heute schon recht guten Fahrtenangebotes geringer ausfallen werden. Bei der Regiobahn hat die Aufwertung der Haltepunkte ebenso wie der Einsatz neuer Fahrzeuge zur Steigerung der Fahrgastzahlen beigetragen. Die Auswirkungen der Bahnhofsumfeldmaßnahmen wurden schon in 6.2.1 berücksichtigt. Für die Prognose der Fahrgastzahlen am Bahnhof Uerdingen werden die Auswirkungen des neuen S-Bahn-Angebotes an dieser Stelle daher nur ansatzweise mit einer Steigerung um 10 % abgeschätzt.
6.2.4 Gesamtbetrachtung der Fahrgastzahlenentwicklung [ 1 | 2 | 3 | 4 ]
Durch Addition der prognostizierten Fahrgastzuwächse aus den Bahnhofsumfeldmaßnahmen, der Baulandentwicklung im Umfeld und der S-Bahn-Einführung ergibt sich ein Zuwachs der Fahrgastzahlen um 41 % auf 1534 Ein- und Aussteiger pro Werktag (Tabelle 6.6). Für den Einwohnerverkehr aus der Siedlungsentwicklung wurde die Steigerung von 115 Fahrgästen (bei Umsetzung der Bahnhofsumfeldmaßnahmen) und für den Beschäftigtenverkehr ein mittlerer Wert von 29 Fahrgästen angesetzt. Der größten Anteil an zusätzlichen Fahrgästen resultiert aus den Bahnhofsumfeldmaßnahmen (18 %), etwas mehr als die Hälfte kann durch die Baulandentwicklung hinzugewonnen werden (13 %). Die Steigerung von 10 % infolge der S-Bahn-Einführung ist nur eine grobe Abschätzung und kann daher hier nicht näher bewertet werden. Allein durch die Bahnhofsumfeldmaßnahmen und die Baulandentwicklung können die Fahrgastzahlen aber um ein Drittel gesteigert werden.
Absolut | Anteil [21] | |
Bahnhofsumfeldmaßnahmen (6.2.1) | 192 | 18 % |
Baulandentwicklung im Umfeld (6.2.2) | 144 | 13 % |
S-Bahn-Einführung (6.2.3) | 109 | 10 % |
Summe der Zuwächse | 445 | 41 % |
Ausgangsniveau (VRR-Zählung 1996) | 1089 | 100 % |
Fahrgastzahlenprognose | 1534 | 141 % |
Dies ist eine beachtliche Steigerung der Fahrgastzahlen, die auch zu höheren Fahrgeldeinnahmen für den Verkehrsverbund führen wird. Daher kann hier festgestellt werden, dass die konzipierten Maßnahmen nicht nur eine allgemeine Verbesserung der Situation im Bahnhofsumfeld und eine umweltfreundlichere Abwicklung des Verkehrs zur Folge haben, wovon die Bewohner des Stadtteils und die Bahnnutzer profitieren, sondern dass sich diese Maßnahmen auch finanziell für die Stadt und den Verkehrsverbund lohnen.
Aufgrund der Wegeweiten, die mit der S-Bahn zurückgelegt werden, und der Bedeutung, die dem Verkehrsmittel Bahn vor allem im Berufsverkehr zukommt, kann davon ausgegangen werden, dass der größte Anteil der neuen Fahrgäste bisher MIV-Nutzer auf dem Weg zur Arbeit waren. Zugewinne bei Wegen, die bisher zu Fuß oder mit dem Fahrrad durchgeführt wurden, sind nur bei einer Veränderung der Zielwahl zu erwarten. Das ist z. B. im Einkaufs- und Versorgungsverkehrs möglich, wenn statt in Uerdingen selber in den Innenstädten von Krefeld, Duisburg oder Mönchengladbach eingekauft wird bzw. wenn zusätzlicher Einkaufsverkehr nach Uerdingen erzeugt wird.
Eine Prognose der Fahrgastzahlenentwicklung auf der Grundlage des 4-Stufen-Algorithmus ist hier leider nicht möglich, da die notwendigen Ausgangsdaten nicht im notwendigen Umfang vorhanden sind. Eine weitere Berechnung wäre aber zu Überprüfung der Ergebnisse wünschenswert gewesen. Auch konnte hier nicht berechnet werden, inwiefern die Fahrgastzuwächse induzierter Verkehr sind oder auf eine Verkehrsverlagerung von Fußgänger-, Fahrradverkehr oder Straßenbahn, vor allem aber vom MIV zurückzuführen sind. Dazu wäre ein Reisezeitvergleich der verschiedenen Verkehrsmittel für die Quelle-Ziel-Beziehungen bzw. eine Verkehrswiderstandsberechnung erforderlich.