3.4 Auswirkungen auf die Stadt- und Verkehrsentwicklung
Aus den im vorherigen Abschnitt beschriebenen Potenzialen können einige Effekte für die Stadt- und Verkehrsentwicklung abgeleitet werden. Dazu gehört als erstes die Steigerung der Bahnnutzung, aber auch die Auswirkungen auf den Fahrrad- und Fußgängerverkehr, die Effekte der Verkehrsvermeidung und die Erhöhung der stadträumlichen Aufenthaltsqualitäten können abgeschätzt werden.
Fahrgastentwicklung bei der Bahn
Durch die Baulandentwicklung im Einzugsbereich der Schienenhaltepunkte können neue Fahrgäste für die Bahn im Bewohner-, Berufs-, Kunden- und Besucherverkehr gewonnen werden. Berufsverkehr entsteht durch die auf den Entwicklungsarealen neu geschaffenen Arbeitsplätze (Gewerbeentwicklung), durch die neuen Geschäfte und Dienstleistungen in den Bahnhofsbereichen entsteht neuer Kunden- und Besucherverkehr, der sich auf die Bahnnutzung auswirkt. Da keine genauen Zahlen über die neuen Arbeitsplätze, das Kunden- und Besucherpotenzial der Einzelhandels- und Dienstleistungsbetriebe im Einzugsbereich der Bahnhöfe vorliegen, können keine Fahrgastzahlen für den Berufs-, Einkaufs- und Versorgungsverkehr berechnet werden. Für den Bahnhof Krefeld-Uerdingen wird in Kapitel 6 versucht, auch die Auswirkungen dieser Verkehre abzuschätzen.
Einwohnerzahl | Anteil | |
Einzugsbereich bestehender Haltepunkte | 60.700 | 100 % |
Einzugsbereich Haltepunkt Lindental | 8.000 | 13 % |
neue Einwohner aus Siedlungsentwicklung | 8.650 | 14 % |
Einzugsbereich zusätzlicher Haltepunkte [10] | 28.800 | 47 % |
Summe | 106.150 | 175 % |
Die Einwohnerzahlen nach Baublöcken (Stand Juni 1999) liegen vor, so dass daraus die Einwohner im Einzugsbereich bestehender und zusätzlicher Haltepunkte ermittelt werden konnten. Außerdem ist der Bevölkerungszuwachs aus der geplanten Siedlungsentwicklung bekannt. Diese Einwohnerzahlen sind in Tabelle 3.8 zusammengefasst. Von den Bevölkerungszahlen im Einzugsbereich neuer Haltepunkte kann aber nicht direkt auf die Steigerung der Bahnnutzung geschlossen werden, da sich das Mobilitätsverhalten der Bewohner im 1000-m-Einzugsbereich von vorhandenen Haltepunkten von dem der Bewohner in Gebieten, die bisher ohne Schienenhaltepunkt waren, unterscheidet. In Abschnitt 2.3.1 (ILS-Studie) wurde festgestellt, dass der ÖV-Anteil der Bewohner ohne Schienenhaltepunkt um 40 % unter dem der Bewohner mit Schienenhaltepunkt liegt (7,5 % gegenüber 12,5 %, vgl. Abbildung 2.7). Für die Einwohner der neuen Siedlungsbereiche im Einzugsbereich der Haltepunkte wird erwartet, dass deren ÖV-Anteil (und Bahnnutzung) mindestens dem der vorhandenen Bewohner entspricht, da die Nähe des Bahnhofs bei der Wohnstandortentscheidung in der Regel eine Rolle spielt.
Da die aktuellen Fahrgastzahlen der Bahn für die untersuchte Strecke nicht bekannt sind, kann hier nur die prozentuale Steigerung der Fahrgastzahlen berechnet werden. Bei der Berechnung der Steigerungsraten der Bahnnutzung werden die Steigerungsraten der Einwohnerzahlen im Einzugsbereich neuer Haltepunkte aus den oben beschriebenen Gründen um 40 % reduziert. Dadurch ergibt sich für den Haltepunkt Lindental eine Steigerung um 8 % (= 0,6 x 13 %), für die zusätzlichen Haltepunkte eine Steigerung von 29 % (= 0,6 x 47 %) und aus der Siedlungsentwicklung eine Steigerung um 14 %. Insgesamt können also die Fahrgastzahlen der Bahn durch die Einrichtung neuer Haltepunkte und die Siedlungsentwicklung um mindestens 51 % gesteigert werden. Bei einer stärkeren Ausrichtung der neuen Siedlungsbereiche auf die Bahn (Reduzierung der Autoabhängigkeit, ÖPNV-freundliche Gestaltung) und einer Steigerung des ÖV-Anteils bei den Bewohnern, die im Einzugsbereich eines neuen Haltepunktes wohnen, sind noch höhere Steigerungsraten zu erwarten, die im Idealfall dem Zuwachs an Einwohnern im Einzugsbereich von 75 % entsprechen können.
Durch die Aufwertung der Bahnhofsbereiche im Rahmen der Stadt- und Bahnperspektiven und die vom VRR geplante S-Bahn-Einführung sind weitere Fahrgastzuwächse zu erwarten. Die Aufwertung der Bahnhöfe steigert die Attraktivität der Zugangsstellen zum System Bahn und mit der S-Bahn sind Qualitätssteigerungen im Bahnverkehr selber verbunden. Da die vorgesehenen Maßnahmen an den einzelnen Bahnhöfen aber hier nicht genau bekannt sind bzw. nicht in allen Details erarbeitet werden können, ist eine quantitative Fahrgastzahlenprognose hier nicht möglich. Eine Berechnung der Fahrgastzuwächse infolge der räumlich-funktionalen Aufwertung des Bahnhofsbereiches und der Einführung der S-Bahn wird in Kapitel 6 für den Bahnhofsstandort Krefeld-Uerdingen vorgenommen.
Verkehrsverlagerung auf die Bahn
Ebenfalls nur grob abgeschätzt werden, können die Effekte der Verkehrsverlagerung. Mit dem Ziel einer Reduzierung des Pkw-Verkehrs ist vor allem eine Verlagerung vom MIV auf die Bahn entscheidend. Dies betrifft hauptsächlich den Berufspendelverkehr zwischen Krefeld und den benachbarten Großstädten Düsseldorf, Duisburg und Mönchengladbach. Wie in Abschnitt 2.3.2 erläutert wurde ist insbesondere die Parkraumsituation im Zielgebiet, aber auch die Verkehrslage auf den Einfallstraßen für die Verkehrsmittelwahl im Berufsverkehr entscheidend. Aufgrund der kritischen Verkehrslage in Düsseldorf (überlastetes Straßennetz, wenig Parkmöglichkeiten) und dem attraktiven Nahverkehrsangebot (Stadtbahn) ist der ÖV-Anteil auf dieser Relation mit 27 % sehr hoch (vgl. Abbildung 3.7). In Krefeld ist die Situation für den Pkw-Verkehr relativ entspannt, so dass hier für den Zielverkehr keine großen Anreize zum Umstieg auf die Bahn bestehen. Anders ist das für den Berufsverkehr aus Krefeld mit dem Ziel Mönchengladbach oder Duisburg. Durch die Schaffung eines attraktiven Nahverkehrsangebotes auf der Schiene kann der ÖV-Anteil auf diesen Relationen von derzeit 15 % deutlich über 20 % gesteigert, und damit das MIV-Aufkommen reduziert werden. Ähnliche Anteile wie bei der Stadtbahnverbindung nach Düsseldorf können allerdings nur erreicht werden, wenn ein attraktiver 20-Min-Takt bei der S-Bahn und ein striktes Parkraummanagement im Zielgebiet eingeführt wird.
Eine maßgebliche Verkehrsverlagerung im Binnenverkehr von Bus und Straßenbahn auf die S-Bahn ist aufgrund der Ergebnisse der Verkehrswiderstandsberechnung im Abschnitt 3.3.2 nicht zu erwarten, da sich die Einzugsbereiche der Straßenbahn und der S-Bahn (500 m) nur geringfügig überschneiden. Eine Verlagerung vom Busverkehr auf die S-Bahn ist möglich, wenn die Buslinien bei Einrichtung eines 20-Min-Taktes auf den S-Bahn-Verkehr abgestimmt werden und damit nur noch eine Zubringerfunktion aus den Wohngebieten zu den Bahnhöfen haben. Im Binnenverkehr in Krefeld sind die zurückgelegten Distanzen allerdings generell zu kurz, so dass ein gebrochener Verkehr mit Umsteigen zwischen Bus und S-Bahn nur für die Verkehrsbeziehungen mit den Nachbargemeinden attraktiv sein kann.
Im Einkaufs- und Versorgungsverkehr kann es zu einer Verkehrsverlagerung vom Fußgänger- und Fahrradverkehr auf die Bahn kommen, wenn durch die S-Bahnverbindung ein Einkauf in den Nachbarstädten Mönchengladbach, Viersen und Duisburg gegenüber der Krefelder Innenstadt attraktiver wird (vor allem für nicht MIV-Nutzer). Das gleiche gilt aber auch für Bewohner dieser Nachbarstädte, die zum Einkaufen dann mit der S-Bahn nach Krefeld fahren können. Dies trägt also zur Fahrgaststeigerung bei der Bahn zu lasten des NMIV bei, ohne aber das Kundenaufkommen der Geschäfte in den Innenstädten zu reduzieren. Verstärkt wird auf diese Weise nur der Konkurrenzdruck zwischen den Geschäften der Nachbarstädte, wie er heute schon zwischen Krefeld und Düsseldorf besteht.
Steigerung des nichtmotorisierten Verkehrs
Erfolge bei der Förderung des nichtmotorisierten Verkehrs können vor allem einige niederländische Städte aufweisen. Durch die in Abschnitt 2.1.5 beschriebenen Attraktivitätssteigerungen für den Fußgänger und Radverkehr konnten z. B. in den Städten Amsterdam und Delft die Anteile des NMIV auf 50 % gesteigert, und gleichzeitig der MIV-Anteil deutlich auf 30 % reduziert werden [11]. Aufgrund der Topgraphie und auch der räumlichen Nähe ist die Stadt Krefeld sehr gut mit niederländischen Städten zu vergleichen. Die Schaffung neuer Verbindungen im Fuß- und Radwegenetz trägt zur Förderung des nichtmotorisierten Verkehrs auch bei größeren Distanzen bei. Die Verbindung der Stadtteile längs der Bahn mit der Krefelder Promenade und quer zur Bahn durch die Tunneldurchstiche und Eisenbahnüberführungen machen diese Strecken für den Fußgänger- und Fahrradverkehr attraktiv.
Eine Steigerung des Fahrradverkehrsanteils im Binnenverkehr von 20 % auf 30 % ist daher bei Verwirklichung der verschiedenen Maßnahmen zur Förderung des Fahrradverkehrs möglich. Durch die Schaffung neuer direkter Verbindungen werden Umwege im Fußgängerverkehr vermieden, so dass auch mehr Wege zu Fuß zurückgelegt werden können.
Die im Rahmen der Bahnhofsumfeldaufwertung vorgesehenen Einzelhandels- und Dienstleistungseinrichtungen begünstigen eine "Stadt der kurzen Wege", so dass der Fußgängeranteil im Einkaufs- und Versorgungsverkehr gesteigert werden kann. Ähnliche Effekte können durch die Freizeit- und Erholungseinrichtungen der Krefelder Promenade erzielt werden. Dies führt aufgrund der Verkürzung der Wegeweiten auch zur Verkehrsvermeidung und damit zur Verringerung des motorisierten Individualverkehrs. Des Weiteren trägt die Zentrenbildung an den Bahnhöfen zu einer stärkeren Frequentierung dieser Bereiche durch Kunden, Besucher und ÖPNV-Nutzer bei, was eine Steigerung der Urbanität und der Aufenthaltsqualität zur Folge hat.