3.3 Potenziale der Stadt- und Bahnperspektiven
3.3.1 Stadträumliche Potenziale [ 1 | 2 ]
Als umfassendes Konzept für die Verkehrs- und Siedlungsentwicklung in Krefeld sind die Stadt- und Bahnperspektiven vor allem auch für die stadträumliche Entwicklung von Bedeutung. Dabei sind die Auswirkung und Chancen aller drei Maßnahmenpakete - die Krefelder Promenade, die Entwicklungsareale und die Bahnhöfe - zu berücksichtigen. Die stadträumlichen und die verkehrlichen Effekte der Stadt- und Bahnperspektiven stehen in engem Zusammenhang miteinander und beeinflussen sich gegenseitig. In diesem Abschnitt werden zunächst qualitativ die stadträumlichen Potenziale dargestellt, im nächsten Abschnitt werden dann die Auswirkungen auf die Verkehrsabwicklung qualitativ und quantitativ untersucht.
Freizeitwert der Promenade
Durch die Krefelder Promenade als Grün- und Freizeitachse werden in zentralen Lagen der Stadt bisher ungenutzte bzw. mindergenutzte Flächen für das Freizeit- und Erholungsbedürfnis der Bevölkerung neu entdeckt. Durch die Einbindung der Promenade als Fahrradverkehrsachse in das System der Radwanderrouten am Niederrhein wird die Promenade nicht nur Bestandteil des innerstädtischen Radwegenetzes, sondern auch der regionalen Radrouten und ist damit für die gesamte Freizeitregion mittlerer Niederrhein von Bedeutung.
Zu den Randbereichen der Stadt hin verschmilzt die Promenade mit den bereits vorhandenen Grünflächen, dem Forstwald im Westen und den Rheinauen im Norden, und ermöglicht durch die neue Verbindung zwischen den einzelnen Flächen eine integrierte Gesamtnutzung. Auch in die Promenade integriert ist der Freizeit- und Kulturbereich Burg Linn und daran anschließend das große Erholungsgebiet Latumer Bruch. Zusammen mit dem im nördlichen Uerdingen gelegenen Stadtpark ergibt sich durch die Verbindung der vorhandenen Erholungsbereiche ein attraktiver Grünzug quer durch die Stadt, mit einem neuen und erweiterten Freizeit- und Erholungswert.
Der Zugang sowohl zu den Stadtteilen mit den sich dort befindlichen Infrastruktureinrichtungen als auch zu den Erholungsbereichen wird vor allem für den nichtmotorisierten Individualverkehr, aber auch für den öffentlichen Verkehr (Einführung der S-Bahn, Verbesserung von Sicherheit und Aufenthaltsqualität) erleichtert. Damit diese Wirkungen zum Tragen kommen, ist die optimale Verknüpfung der Krefelder Promenade mit dem vorhandenen Verkehrs- und Freizeitnetz eine notwendige Voraussetzung. Der Zugang von den Wohn- und Gewerbegebieten zur Promenade wird jeweils an den wichtigsten Straßenquerungen durch Auf- und Abfahrten sichergestellt. Die Anbindung der etwas weiter von der Promenade gelegenen Grünflächen (Stadtpark Uerdingen, Stadtwald, Stadtpark Fischeln, Zoo, Botanischer Garten und Elfrather See) muss durch geeignete Wegeführungen für den Fuß- und Radverkehr erfolgen, am besten als Grünzüge unabhängig vom Straßennetz. Für den Fall Uerdingen wird diese Verbindung zum Stadtpark in Kapitel 5 noch ausführlicher behandelt.
Es werden jedoch nicht nur vorhandene Räume miteinander verbunden, innerhalb der Promenade werden auch neue Erholungsräume geschaffen. In einigen Abschnitten erweitert sich das schmale Band der Promenade zu breiteren Flächen, die auf verschiedene Weisen genutzt werden können. In den dicht besiedelten Bereichen der Innenstadt werden so neue Freiräume geschaffen, die einen hohen Aufenthaltswert haben. Mögliche Nutzungen sind Parks mit Spazierwegen als Ruhebereiche und Außensportanlagen wie z. B. eine Skaterbahn oder Basketballplätze. Durch die Ansiedlung von neuen Freizeit- und Kultureinrichtungen entlang der Promenade wird die Attraktivität des Wohnstandortes Innenstadt gesteigert. Im Abschnitt 3.3.2 wird erläutert, wie dies zur Verkehrsvermeidung beitragen kann.
Chancen der Entwicklungsareale
Durch die Rahmenplanung für die Entwicklungsareale wird eine städtebauliche Neuordnung ermöglicht. In diese Neuordnung einbezogen werden sowohl Grünflächen, wie oben beschrieben, als auch die Verkehrsflächen. Die Neuordnung der Verkehrsflächen muss alle Verkehrsmittel berücksichtigen und den verfügbaren Raum sinnvoll zwischen dem MIV, dem ÖV und dem NMIV aufteilen. Dann ist es möglich eine optimale Zuordnung von Flächen und dadurch für alle Verkehrsmittel einen optimalen Verkehrsablauf zu gewährleisten.
Im Sinne des Konzepts Baulandentwicklung an der Schiene ermöglichen die verfügbaren Flächen der Entwicklungsareale eine Gewerbeentwicklung für Dienstleistungsarbeitsplätze und eine Siedlungsentwicklung, die auf den öffentlichen Nahverkehr mit der Bahn ausgerichtet sind. Die Potenziale eines solchen Konzeptes wurden im Abschnitt 2.3 beschrieben. Die verkehrlichen Effekte werden für die Promenade allgemein in Abschnitt 3.3.2 und für den Stadtteil Uerdingen im speziellen in Kapitel 4 dargestellt.
Die Entwicklungsareale Dießem und Güterbahnhof mit Kulturfabrik, neuem Bahnmuseum, Gewerbepark, Freiluftarena und Großhalle liegen zwar an der Bahn. Das alleine reicht aber nicht, um die geplante Gewerbe- und Siedlungsentwicklung auf die Schiene auszurichten. Zur notwendigen SPNV-Erschließung im Sinne des Konzeptes "Baulandentwicklung an der Schiene" wäre ein neuer Haltepunkt "Dießemer Bruch" zwischen dem ehemaligem Bahnbetriebswerk und Güterbahnhof erforderlich. Untersuchungen bzgl. eines zusätzlichen Haltepunktes zwischen Oppum und Krefeld Hbf sind noch nicht durchgeführt worden. Für die Arena für Großveranstaltungen wird in letzter Zeit der Standort Hauptbahnhof favorisiert, was im Sinne des Zieles einer Verkehrabwicklung mit der Bahn zu begrüßen ist. Die verkehrliche Erschließung der Areale wird im Abschnitt 3.3.2 näher behandelt.
Die Chancen der Schaffung von Erholungs- und Freizeitbereichen auf den Entwicklungsarealen wurden bereits unter "Freizeitwert der Promenade" beschrieben.
Integration der Bahnhöfe
Auf Grund der Vernachlässigung der Bahnhöfe (Instandhaltung, Unterhaltung etc.) und der Orientierung der Stadtentwicklung am Autoverkehr sind die Bahnhofsstandorte in Randlagen der Stadtteile abgedrängt worden. Mit dem hier vorliegenden Konzept besteht die Möglichkeit die Bahnhöfe wieder ins das Zentrum der Stadtteile zu rücken und zu einem wichtigen Bestandteil im städtischen Leben zu machen. Dies wird auch dadurch begünstigt, dass die Bahnhöfe mit dem Bahnhofsvorplatz und einem oft markantem Bahnhofsgebäude die Identifikation mit dem Stadtteil ermöglichen.
Viele Bahnhöfe liegen in zentraler Lage und sind damit ein idealer Ort für wichtige funktionelle Nutzungen innerhalb der Stadtteile. Durch die Ansiedlung von Geschäften, sozialer Infrastruktur und Versorgungseinrichtungen in den Bahnhofsbereichen kann die Frequentierung der Bahnhöfe erhöht werden. Dadurch werden neue lebendige Stadtteilzentren geschaffen. Die Situation ist hierbei für jeden Bahnhof differenziert zu betrachten. Der Bahnhof Uerdingen liegt am Rand der Innenstadt und kann damit als ein Tor von der Bahn zur Stadt und umgekehrt dienen. Der Bahnhof Linn liegt abseits des Siedlungsbereiches und erfüllt hauptsächlich eine reine Verkehrsfunktion. Der Bahnhof Oppum liegt in zentraler Lage, erfüllt aber derzeit auf Grund der baulichen und stadtstrukturellen Situation nicht die Zentrumsfunktion. Mit der städtebaulichen Neuordnung als "Neue Mitte Oppum", die im Stadtteilkonzept Oppum [Curdes 1993] vorgeschlagen wurde, rückt der Bahnhof aber ins Zentrum des Stadtteils.
Der Hauptbahnhof von Krefeld ist der zentrale ÖV-Verknüpfungspunkt der Krefelder Innenstadt. Durch seine Innenstadtrandlage bildet er ein Eingangstor zur Stadt und von der Stadt aus gesehen das Tor zur Bahn. Da die Deutsche Bahn über Krefeld keinen Fernverkehr mehr betreibt, erhält der Hauptbahnhof seine Bedeutung hauptsächlich durch die Verknüpfungsfunktion im Nah- und Regionalverkehr. Alle Straßenbahnlinien, die DB-Nahverkehrslinien und alle Buslinien in die Innenstadt sind hier miteinander verknüpft. Der Bahnhof Forsthaus ist nicht in die Siedlungsstruktur des Stadtteiles Forstwald eingebunden, sondern wird von Wald umgeben. Die Verbesserung der fußläufigen Erreichbarkeit von den Wohngebieten aus könnte durch eine Verlegung des Haltepunktes erreicht werden, die in Abschnitt 3.3.2 weiter diskutiert wird.
Durch die Neugestaltung der Bahnhofsbereiche ist es aber auch möglich, die Stadtteile die links und rechts der Bahnstrecke liegen miteinander besser zu verbinden. Dazu ist in einigen Fällen eine Tunnelverlängerung bzw. der Neubau einer Eisenbahnüberführung (Lindental, unter Umständen auch Oppum [Neues Forum] und Forstwald [Bellenweg]) erforderlich. Diese Maßnahmen tragen auch dazu bei, die Bahnhöfe ins Zentrum der Stadtteile zu rücken und die Bahnhofsumfelder zu beleben. In erster Linie erschließen sie aber neue Bewohner sowohl für die Bahn als auch für die auf der jeweils anderen Bahnseite gelegenen Versorgungs- und Infrastruktureinrichtungen. Durch die Tunnelverlängerung in Uerdingen wird das Wohngebiet nördlich der Bahn besser an den Bahnhof und die Innenstadt angebunden, in Linn wird damit das Gewerbegebiet für die Bahn erschlossen.
Der Neubau einer Eisenbahnüberführung in Oppum, Lindental und am Bellenweg in Forstwald dient unter anderem zur Einrichtung der Bahnsteigzugänge. In Oppum wird gleichzeitig mit dem Forum eine großzügige Verbindung der beiden Stadtteilhälften geschaffen. Zwischen den Wohngebieten Lindental und Tackheide würde durch eine Eisanbahnüberführung im Zuge des neuen Haltepunktes Lindental eine gute neue Fuß- und Radwegeverbindung ermöglicht.
3.3.2 Verkehrliche Potenziale [ 1 | 2 ]
Im Sinne einer zukunftsfähigen Verkehrs- und Stadtentwicklung muss der Anteil des öffentlichen Verkehrs am Gesamtverkehr deutlich gesteigert werden. Dabei ist es auch schon als Erfolg zu werten, wenn das Verkehrsaufkommen im motorisierten Individualverkehr auf dem heutigen Stand gehalten werden kann, und die zukünftigen Verkehrszuwächse mit dem ÖPNV bewältigt werden. Vorrangiges verkehrliches Ziel der Stadt- und Bahnperspektiven ist es, die Bahnnutzung im oben beschriebenen Korridor zu erhöhen.
Es gibt hauptsächlich vier Wirkungsmechanismen, die bei der Abschätzung der verkehrlichen Effekte zu berücksichtigen sind. Dies sind
Verkehrsvermeidung
Eine Verkehrsvermeidung kann hauptsächlich durch die Reduzierung der Wegeweiten erreicht werden. Dies betrifft alle Fahrtzwecke in unterschiedlichem Ausmaß. Die Reduktion, die im Berufsverkehr durch Nutzungsmischung von Wohnen und Arbeiten erzielt werden kann, ist eher gering. Es gibt so gut wie keine Möglichkeit mit der sichergestellt werden kann, dass die Bewohner solcher Gebiete auch in der näheren Umgebung ihrer Wohnung arbeiten. Daher ist für diesen Fahrtzweck das Ziel einer Verlagerung auf umweltfreundliche Verkehrsmittel (z. B. die Bahn) von größerer Bedeutung (siehe nächster Abschnitt). Die größten Einsparpotenziale im Bezug auf die Wegeweiten liegen im Einkaufs- und Versorgungsverkehr und im Freizeitverkehr. Dies sind Verkehre die zur Zeit stark von Standorten im Umland bzw. auf der "Grünen Wiese" dominiert werden, bei denen die ÖV-Erschließung strukturbedingt eher schlecht ist und die daher vorwiegend mit dem MIV erreicht werden.
Durch die Schaffung neuer Erholungsbereiche entlang der Krefelder Promenade, der Ansiedlung von Freizeiteinrichtungen und die Schaffung von Dienstleistungs- und Geschäftszentren an den Bahnhöfen können Wege ins Umland vermieden werden. Dadurch verkürzen sich zum einen die Wegeweiten, was diese Wege auch für den Radfahrer- und Fußgängerverkehr attraktiv macht, und zum anderen ermöglicht die bessere ÖV-Erschließung im Innenstadtbereich einen höheren ÖV-Anteil im Freizeit und Einkaufsverkehr. Die Attraktivitätssteigerung des Wohnstandortes Innenstadt wurde bereits im Abschnitt 3.3.1 ausführlich beschrieben.
Neue Potenziale für den SPNV
Durch die Nachverdichtung vorhandener Siedlungen und die Ausweisung neuer Siedlungsflächen im Einzugsbereich der S-Bahn-Haltepunkte werden neue Einwohnerpotenziale für die Bahn geschaffen. Aber auch die Ansiedlung von Gewerbe und Dienstleistungen in diesen Bereichen ist eine Voraussetzung für eine gesteigerte Bahnnutzung. In Abbildung 3.4 sind die vorhandenen und geplanten Siedlungsbereiche sowie Gewerbeflächen im Einzugsbereich der geplanten S-Bahn-Haltepunkte dargestellt. Die Einwohnerzahlen im 1000-m-Einzugsbereich der Haltepunkte können Tabelle 3.4 und Tabelle 3.5 entnommen werden.
Abbildung 3.4: Wohn- und Gewerbeflächen im Einzugsbereich
geplanter S-Bahn-Haltepunkte [Grundlage: Stadtkarte 1997]
Im Einzugsbereich des Haltepunktes Bellenweg (Forsthaus) sind neue Siedlungsbereiche in Forstwald und an der Hückelsmaystraße nördlich der Bahnlinie, sowie ein großer Bereich auf dem Gebiet der Stadt Tönisvorst (St. Tönis) mit insgesamt 6.100 neuen Einwohnern geplant. In diesem Bereich wäre zu untersuchen, ob die Erschließung und die fußläufige Erreichbarkeit durch die Einrichtung der Haltepunkte Stockweg und Hückelsmaystraße bei Aufgabe des Haltepunktes Forsthaus verbessert werden könnte. Die Einbindung dieser beiden Standorte in die Siedlungsstruktur ist wesentlich besser und das Einwohnerpotenzial im attraktiveren 500-m-Radius ist um einiges größer. Insgesamt wohnen 3.500 Einwohner im 1000-m-Einzugsbereich der Haltepunkte Stockweg und Hückelsmaystraße, im Vergleich zu 2.800 Einwohnern beim Haltepunkt Bellenweg (Forsthaus).
Der einzige Haltepunkt, dessen Neueinrichtung für die S-Bahn als gesichert gilt, ist Lindental. Dieser erschließt die Wohngebiete Lindental nördlich und Tackheide südlich der Bahnstrecke (8.000 Einwohner im 1000-m-Einzugsbereich). Die Ausweisung neuer Siedlungsbereiche ist sowohl in Lindental (B-Plan-Nr. 624) als auch in Tackheide (B-Plan-Nr. 281) mit insgesamt 1.100 neuen Einwohnern geplant.
Das größte Einwohnerpotenzial liegt mit 30.700 Einwohnern im Einzugsbereich des Krefelder Hauptbahnhofs. Weitere Wohnbereiche mit insgesamt 16.600 Einwohnern in der westlichen Innenstadt, die bisher eher ungünstig vom ÖPNV erschlossen werden, ließen sich mit einem zusätzlichen Haltepunkt Rossstraße erschließen. Dieser Standort liegt auch in der Nähe einiger "stark frequentierter Bildungseinrichtungen (Fachhochschule, Gesamt- und Realschule etc.)" [Krefeld 11999a]. Das zusätzliche Einwohnerpotenzial im Einzugsbereich des Standortes Dießemer Bruch ist mit 11.500 Einwohnern ebenfalls recht groß. Der Haltepunkt erschließt aber auch die neuen Gewerbegebiete am ehemaligen Güter- und Verschubbahnhof und die vorhandenen Gewerbeflächen nördliche und südlich der Bahnstrecke, und damit viele bestehende und geplante Arbeitsplätze. Er wäre außerdem Voraussetzung für eine gute ÖV-Erreichbarkeit einer Halle für Großveranstaltungen an diesem Standort.
geplante S-Bahn-Haltepunkte |
Einwohner (absolut) |
Gewerbe-/Dienstleistungsfläche (ha) |
||
heute (Stand Juni 1998) |
künftig (zusätzlich) |
heute | künftig (zusätzlich) |
|
Forsthaus | 2.800 | 6.100 | 0 | 0 |
Lindental | 8.000 | 1.100 | 0 | 0 |
Krefeld Hbf | 30.700 | 150 | 28,4 | 4,0 |
Oppum | 10.300 | 530 | 47,4 | 0,3 |
Linn | 4.900 | 0 | 74,9 | 1,3 |
Uerdingen | 11.900 | 770 | 26,9 | 0 |
Hohenbudberg | 100 | 0 | 189,1 | 0 |
Insgesamt | 68.700 | 8.650 | 366,7 | 5,6 |
möglicher zusätzlicher S-Bahn-Haltepunkt |
Einwohner im 1000-m-Einzugsbereich
[6] (Stand Juni 1999) |
Stockweg | 1.900 |
Hückelsmaystraße | 1.600 |
Rossstraße | 16.600 |
Dießemer Bruch | 11.500 |
Insgesamt (abzgl. Forsthaus) | 28.800 |
Ein großes Einwohnerpotenzial liegt wiederum im Einzugsbereich des Bahnhofs Krefeld-Uerdingen. Durch Nachverdichtung des Siedlungsbereiches in der Nähe des Bahnhofs ist die Einwohnerzahl bereits auf 11.900 gestiegen. Der geplante Wohnsiedlungsbereich auf einem ehemaligen Gewerbegelände nördlich des Bahnhofs (B-Plan-Nr. 610) und neue Wohnbebauung zwischen Bahntrasse und Bahnhofstraße erhöht die Einwohnerzahl nochmals um mindestens 770. Bei höheren Wohndichten kann die Anzahl der neuen Bewohner aber noch vergrößert werden (siehe Abschnitt 5.1).
Im Einzugsbereich der geplanten S-Bahn-Haltepunkte wohnen also heute insgesamt 68.700 Einwohner, das sind ca. 28 % der Krefelder Stadtbevölkerung (240.000 EW). Durch die Ausweisung neuer Wohngebiete steigt diese Zahl in der näheren Zukunft um weitere 8.650 Einwohner. Das Einwohnerpotenzial von 28.800 Einwohnern, dass durch zusätzliche S-Bahn-Haltepunkte erschlossen werden könnte, ist durchaus beachtlich, so dass die Einrichtung dieser Haltepunkte ernsthaft untersucht werden sollte. Der Anteil der Krefelder Bevölkerung im Einzugsbereich der S-Bahn würde sich durch die Siedlungsentwicklung und die zusätzlichen Haltepunkte auf 44 % (106.150 EW) erhöhen.
Weitere Potenziale für den Schienenverkehr ergeben sich durch die Ansiedlung bzw. verbesserte Erreichbarkeit von Freizeiteinrichtungen in der Nähe der Bahnhöfe. Zu diesen Freizeiteinrichtungen gehören die geplante Halle für Großveranstaltungen, die Diskothek Kulturfabrik in Dießem und das geplante Museum für moderne Kunst in Lehmheide und Bahnverkehrsmuseum in Dießem.
Stärkung des SPNV im Binnenverkehr
Hier soll untersucht werden, ob sich durch die Einführung der S-Bahn neue Potenziale im Binnenverkehr erschließen lassen oder ob das S-Bahn-Angebot eine zu starke Konkurrenz zur Straßenbahn darstellt. Eine Konkurrenzsituation der S-Bahn zur Straßenbahn für Verkehre in die Krefelder Innenstadt besteht in Oppum, Linn (beide Linie 044) und Uerdingen (Linie 043). In Oppum verkehrt die Straßenbahn ca. 400 m nördlich parallel zur Bahnstrecke, wodurch die Einzugsbereiche von Straßenbahn und S-Bahn nicht deckungsgleich sind. Die Stadtteile Lindental und Forstwald sind bisher mit der Buslinie 051 an die Innenstadt angebunden. Die Einzugsbereiche der Linien werden in Abbildung 3.5 dargestellt, die aktuellen Fahrzeiten [7] und Taktangebote sind in Tabelle 3.6 zusammengefasst.
Stadtteil | Fahrzeit ins Zentrum [min] | Fahrzeugfolgezeit in der HVZ [min] | ||||
Straßenbahn | Bus | S-Bahn | Straßenbahn | Bus | S-Bahn | |
Oppum | 12 | 2 | 15 | 30 | ||
Linn | 15 | 5 | 15 | 30 | ||
Uerdingen | 20 | 8 | 15 | 30 | ||
Lindental | 12 | 2 | 20 | 30 | ||
Forstwald | 22 | 4 | 20 | 30 |
Für die Berechnung der Zu- und Abgangszeiten wurde von einem Einzugsradius von 400 m um Bus- und Straßenbahnhaltestellen ausgegangen. Für die S-Bahn wurden die Einzugsradien von 500 m und 1000 m untersucht. Diese größeren Einzugsradien führen zu höheren Zu- und Abgangswiderständen, wodurch auch berücksichtigt wird, dass der Zugang zu den Bahnsteigen der S-Bahn in der Regel etwas zeitaufwendiger ist als der Zugang zu Bus- und Straßenbahnhaltestellen. Die Ergebnisse der Verkehrswiderstandsberechnung (siehe Anhang B) sind in Tabelle 3.7 zusammengefasst.
Abbildung 3.5: Relevante Einzugsbereiche der S-Bahn-,
Straßenbahn- und Buslinien [Grundlage: Stadtkarte 1997]
Verkehrsmittel (Einzugsradius) |
Straßenbahn (400 m) |
Bus (400 m) |
S-Bahn (500 m) |
S-Bahn (1000 m) |
Zugangswiderstand | 5,7 | 5,7 | 7,2 | 37,8 |
Wartewiderstand | 28,9 | 43,1 | 28,7 | 28,7 |
Beförderungswiderstand | 15,7 | 17,0 | 4,2 | 4,2 |
Abgangswiderstand | 5,7 | 5,7 | 7,2 | 37,8 |
Gesamtwiderstand [WE] | 56,0 | 71,5 | 47,4 | 108,5 |
Differenz S-Bahn - Strab | -8,6 | 52,5 | ||
Differenz S-Bahn - Bus | -24,2 | 36,9 |
Einflüsse des Fahrpreises auf die Verkehrsmittelwahl können ausgeschlossen werden, da sowohl S-Bahn als auch Straßenbahn und Bus in das Tarifsystem des VRR integriert sind, d. h. mit dem gleichen Ticket benutzt werden können. Neben den Unterschieden bei der Fahrzeit und dem Taktangebot ist die Zugangszeit für die S-Bahn in der Regel höher. Die Stadtteile werden von der Straßenbahn jeweils durch mehrere Haltestellen im Straßenraum erschlossen, so dass mehr Einwohner im 400-m-Einzugsbereich wohnen. Der Zugang zur S-Bahn erfolgt jeweils nur in den Bahnhöfen verbunden mit der Überwindung von Niveauunterschieden.
Abbildung 3.6:
Gemittelte Verkehrswiderstände auf der Relation Stadtteil - Zentrum (vgl. Anhang B)
Bei den Zu- und Abgangszeiten der S-Bahn ist auch die Lage der Bahnhöfe zu berücksichtigen. In Uerdingen verlängert sich der Zugang für Bewohner südlich der Bahngleise, für Bewohner nördlich der Bahngleise ist der Zugang zur S-Bahn günstiger (Tunneldurchstich vorausgesetzt). Eine ähnliche Situation ergibt sich in Oppum auf Grund der räumlichen Trennung von Straßenbahn und Bahnhof. Bewohner südlich der Bahngleise erreichen den Bahnhof schneller im Vergleich zu Bewohnern, die in der Nähe der Straßenbahn nördlich der Bahngleise wohnen. In Linn liegt der Bahnhof ca. eine Gehminute von der Straßenbahnhaltstelle entfernt und auch im Hauptbahnhof ist von den Bahnsteigen bis zur Straßenbahnhaltestelle mindestens ein Weg von einer Minute zurückzulegen.
Aus den Ergebnissen wird deutlich, dass für Einwohner im 500-m-Einzugsbereich der S-Bahn-Haltepunkte die S-Bahn eine attraktivere Alternative zu Bus oder Straßenbahn darstellt. Im Vergleich zur Straßenbahn weist die S-Bahn einen um 9 WE (-15 %) niedrigeren Gesamtwiderstand auf, im Vergleich zur Busverbindung sind dies sogar 24 WE (-34 %). Berücksichtigt man allerdings einen 1000-m-Einzugsbereich für die S-Bahn, so weisen die Bus- und Straßenbahnverbindungen einen geringeren Gesamtwiderstand auf. Der Grund hierfür sind die hohen Zu- und Abgangswiderstände bei der S-Bahn bzw. die bessere Erschließung durch Bus und Straßenbahn auf Grund der geringeren Haltestellenabstände.
Wie aus Abbildung 3.5 ersichtlich, werden durch die S-Bahn aber auch große zusätzliche Bereiche neu erschlossen. Dies betrifft vor allem in Uerdingen das Wohngebiet nördlich der Bahngleise und in Oppum den Bereich südlich der Bahn. Es ergeben sich hier also neue Potenziale für den SPNV, ohne dass die Nutzungshäufigkeit der Straßenbahn beeinträchtigt werden müsste.
Verkehrsverlagerung auf die Bahn
Die Auswirkungen einer Bahnhofsumfeldverbesserung werden am Beispiel Uerdingen in Kapitel 6 genauer untersucht. Daher sollen hier nur allgemein die Potenziale aufgezeigt werden. Es soll zuerst untersucht werden, ob in Krefeld Potenziale vorhanden sind, um durch die Steigerung der Attraktivität des Verkehrsmittels Bahn (Fahrzeuge und Bahnhöfe) mehr Fahrgäste für die Bahn zu gewinnen. Dazu bietet sich ein Vergleich der ÖV-Anteile auf Relationen an, die von unterschiedlichen Verkehrsmitteln erschlossen werden (Abbildung 3.7).
Abbildung 3.7:
ÖV-Anteile in Abhängigkeit vom verfügbaren Verkehrsmittel (vgl. Anhang C)
Der ÖV-Anteil auf der Strecke von Düsseldorf und Meerbusch nach Krefeld, auf der eine Stadtbahnlinie verfügbar ist, liegt mit 27 % wesentlich höher als auf den Strecken von Mönchengladbach, Duisburg, Viersen und Kempen (15 %), die vom Nahverkehr der DB bedient werden. Betrachtet man nur die Städte die an der geplanten S-Bahnstrecke liegen (Duisburg, Viersen, Mönchengladbach), so liegt der durchschnittliche ÖV-Anteil sogar nur bei 14 % und ist damit so niedrig wie auf den Relationen, die nur mit dem Bus bedient werden (13 %) [vgl. Krefeld 1998a, S. 38ff]. Daraus kann gefolgert werden, dass auf der Strecke der geplanten S-Bahn Fahrgastpotenziale vorhanden sind, die durch ein attraktives Nahverkehrsangebot auf der Schiene mobilisiert werden können. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass für Autofahrer im Allgemeinen ein Nahverkehrsangebot auf der Schiene mit schnellen Verbindungen sehr viel attraktiver ist, als eine Busverbindung. Dies hat unter anderem die ILS Studie gezeigt [vgl. ILS 1999, S. 33] (siehe auch 2.3.1).
Die Einführung der S-Bahn ist mit dem Einsatz neuer Fahrzeuge und dadurch mit einer Steigerung des Fahrkomforts, einem Imagegewinn und evtl. kürzeren Fahrzeiten verbunden. Für den S-Bahnverkehr an Rhein und Ruhr werden in Zukunft elektrische Triebzüge (ET 423) anstelle der bisher üblichen lokbespannten Wendezüge (BR 111) eingesetzt. Diese neuen Fahrzeuge bieten eine komfortablere Innenausstattung und ermöglichen auf Grund eines besseren Beschleunigungs- und Bremsverhaltens kürzere Fahrzeiten im S-Bahnbetrieb.
Die Auswirkungen neuer Fahrzeuge wurden im Kölner Dieselnetz am Beispiel des Dieseltriebwagens Talent von Bombardier Tabot (VT 644) untersucht. Das Kundenecho auf den Einsatz dieser neuen Fahrzeuge war durchweg positiv. Sowohl das äußere und innere Erscheinungsbild als auch die einzelnen Komfortmerkmale (Fahrradtransport, Stauräume, Sitzplätze, Fahrkomfort und Reisekomfort) wurden von den Fahrgästen mit guten Noten beurteilt. Zwei Drittel der Befragten nutzen die neuen Triebzüge lieber als andere Nahverkehrszüge [Geupel 1999]. Die Ergebnisse lassen sich relativ gut auf die neuen elektrischen Triebzüge übertragen, da diese sich von der Ausstattung und vom Erscheinungsbild her nur noch geringfügig von den Dieseltriebzügen unterscheiden.
Der entscheidende Nachteil der geplanten S-Bahn im Vergleich zur Stadtbahn ist das geringe Taktangebot. Der für die Einführung geplante 30-Min-Takt ist das Mindestangebot, das für einen S-Bahn-Betrieb erforderlich ist [9]. Für die heutigen Fahrgastzahlen auf der Strecke ist der 30-Min-Takt, wie er auch zur Zeit auf der RB 33 gefahren wird, ausreichend. Nur bei größeren Fahrgastzuwächsen ist in Zukunft ein 20-Min-Takt gerechtfertigt. Die bei Einführung der S-Bahn zu erzielenden Attraktivitätssteigerungen durch neue Fahrzeuge, Aufwertung der Haltepunkte und bessere Einbindung in die Siedlungs- und Verkehrsstruktur sind aber schon ausreichend, um bisherige MIV-Nutzer zum Umstieg auf die Bahn zu bewegen.
Durch eine bessere Einbindung der S-Bahn in das Verkehrsnetz können weitere Fahrgastzuwächse erzielt werden. Die Ausrichtung der Buslinien auf die Bahnhöfe, die Vertaktung der Fahrzeiten und die bessere räumliche Zuordnung der Haltestellen vergrößert die Einzugsbereiche der Bahnhöfe durch einen attraktiven Zubringerverkehr. Durch einen maßvollen Ausbau der Park+Ride-Anlagen können Autofahrer zum Umstieg auf die Bahn bewegt werden, die den Bus im Zubringerverkehr nicht nutzen wollen oder können. Am Bahnhof Forsthaus wäre z. B. durch eine Verschiebung des Haltepunktes zum Bellenweg eine bessere Verknüpfung mit den Zubringerverkehrsmitteln möglich. Bisher hält kein Bus am Bahnhof Forsthaus, obwohl die Linien 049 und 051, die den Stadtteil Forstwald bedienen, über den Bellenweg fahren. Die bessere Vertaktung der Verkehrsmittel wird z. B. durch eine Aufwertung des Hauptbahnhofs Krefeld zum Knoten im Integralen Taktfahrplan (ITF) erreicht.
Stärkung des Fahrrad- und Fußgängerverkehrs
Die Krefelder Promenade hat eine Verbindungsfunktion zwischen den Stadtteilen und eröffnet damit neue Möglichkeiten für den Fußgänger- und Fahrradverkehr. Direkt an der Promenade gelegen sind die Innenstadtbereiche des Krefelder Zentrums und von Uerdingen, außerdem das Zentrum des Stadtteils Oppum. Vor allem für den Fahrradverkehr ergibt sich durch die Promenade eine unabhängig und attraktiv geführte Wegeverbindung. Da der Fahrradverkehr in Krefeld ohnehin einen hohen Stellenwert hat, kann erwartet werden, dass das zusätzliche Verbindungsangebot durch die Promenade auf den Relationen zwischen den anliegenden Stadtteilen gut genutzt werden wird. Für den Fußgängerverkehr ist die Promenade sicherlich nur auf den kürzeren Distanzen attraktiv.
Die Stärkung des Fahrrad- und Fußgängerverkehrs im Zubringerverkehr zu den Bahnhöfen wird hauptsächlich durch die verbesserte Integration der Bahnhöfe in die Siedlungsstruktur und in das Fahrradwegenetz erreicht. So ist z. B. die fußläufige Erreichbarkeit des mitten im Wald gelegenen Haltepunktes Bellenweg (Forsthaus) relativ schlecht. Durch eine Verlegung auf die beiden Standorte Stockweg und Hückelsmaystraße wären diese Haltepunkte direkt in die Siedlungen Forstwald und Hückelsmay eingebunden und damit fußläufig besser erreichbar (siehe Abbildung 3.4).
Für die Erreichbarkeit der Bahnhöfe sind vor allem die radialen Verbindungen wichtig, die quer zur Bahnachse liegen. Über diese Strecken werden die Gebiete, die weiter von der Bahn entfernt sind, im Fahrradverkehr an die Bahnhöfe angebunden. Dies wird bei der Konzeption für das Bahnhofsumfeld Uerdingen in Kapitel 6 berücksichtigt. Ein wichtiger Bestandteil dieser Querverbindungen sind auch die Tunneldurchstiche, die in Uerdingen und Linn erforderlich sind.