2.3 Auswirkungen auf das Mobilitätsverhalten und die Bahnnutzung [ 1 | 2 | 3 ]
Im Abschnitt 2.1 wurden die politischen Rahmenbedingungen erläutert, die in verschiedenen Ländern in Bezug auf die Siedlungsentwicklung an der Schiene existieren. Die zahlreichen Projekte, die in Deutschland und den USA als Anwendung dieser Strategie realisiert wurden, sind in Abschnitt 2.2 beschrieben. Es wurde bisher aber immer nur qualitativ angenommen, dass die Konzentration von Siedlungsschwerpunkten an Haltepunkten des Schienenverkehrs den Modal Split zuungunsten des MIV und zugunsten des ÖPNV verschiebt. Nachfolgend sollen daher die verfügbaren empirischen Erkenntnisse aufbereitet werden, die diese Annahme bestätigen.
2.3.1 Untersuchung in Nordrhein-Westfalen [ 1 | 2 | 3 ]
Das Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ILS) hat im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und Sport (MASSKS) des Landes Nordrhein-Westfalen eine Untersuchung zum Mobilitätsverhalten der Bevölkerung in Abhängigkeit vom Vorhandensein eines Schienenhaltepunktes durchgeführt. Ziel war es herauszufinden, ob das Vorhandensein eines Schienenhaltepunktes zu einem veränderten Verkehrsverhalten der Bevölkerung führt, wobei die Kriterien Verkehrsmittelwahl, Art der Aktivitäten und zurückgelegte Entfernungen untersucht wurden. Weitere Bestandteile der Untersuchung waren der Pkw-Besatz (Anteil autofreier Haushalte) und der Einfluss der Qualität des ÖPNV auf die Bahnnutzung. Die Ergebnisse dieser Studie sind in der Broschüre "Baulandentwicklung an der Schiene" [ILS 1998] veröffentlicht.
Im Rahmen der oben genannten Untersuchung wurden drei Gebietspaare der Raumkategorie Ballungsrand untersucht, die sich jeweils durch die Verfügbarkeit eines Schienenhaltepunktes unterscheiden. Die angewandte Befragungsmethode war eine telefonische Befragung einer repräsentativen Stichprobe, die über das Telefonverzeichnis der Privathaushalte ausgewählt wurde. Der Stichprobenumfang betrug 2100 Interviews, d. h. je 350 Interviews pro Untersuchungsgebiet. Bei der Auswahl der Untersuchungsgebiete nach Tabelle 2.7 wurde darauf geachtet, dass mit Ausnahme des Vorhandenseins eines Schienenhaltepunktes keine weiteren Unterschiede in der Siedlungs- und Sozialstruktur der Gebietspaare auftraten.
Untersuchungsgebiete | |
mit Schienenhaltepunkt | ohne Schienenhaltepunkt |
Erkrath-Zentrum | Wülfrath-Zentrum |
Meerbusch-Osterath | Meerbusch-Lank-Latum |
Korschenbroich-Kleinenbroich | Korschenbroich-Glehn |
Das erste wichtige Ergebnis der Studie beantwortet die Frage nach dem Einflussradius eines Schienenhaltepunktes, d. h. bis zu welcher Entfernung sich ein vorhandener Haltepunkt auf das Verkehrsverhalten der Bevölkerung auswirkt. Es wurde festgestellt, dass sich das Verkehrsverhalten der Bevölkerung in Gebieten ohne Schienenanschluss nicht signifikant von dem der Bevölkerung unterscheidet, die außerhalb eines 1000-m-Radius um einen Schienenhaltepunkt in Gebieten mit Schienenanschluss wohnt. Das Vorhandensein eines Schienenhaltepunktes wirkt sich also nur innerhalb eines 1000-m-Radius um diesen aus, wobei dieser Radius bei Stadtbahn- und Straßenbahnsystemen noch enger gefasst werden sollte. Dagegen zeigten sich signifikante Unterschiede zwischen dem Verkehrsverhalten der Bevölkerung, die in Gebieten mit Schienenanschluss innerhalb eines 1000 m-Radius um den Haltepunkt wohnt, zum Verhalten der Bevölkerung der anderen Gebiete ohne Schienenhaltepunkt. Im folgenden werden daher nur noch diese beiden Fälle behandelt.
Abbildung 2.6: Pkw-Besitz [ISL 1998]
Die in Abbildung 2.6 gegebenen Werte für den Pkw-Besitz lassen sich in einen mittleren Pkw-Besatz umrechnen. Dabei ergeben sich für Gebiete im 1000-m-Einzugsbereich eines Schienenhaltepunktes 488 Pkw pro 1000 Einwohner bzw. 1,19 Pkw pro Haushalt und für Gebiete ohne Schienenhaltepunkt 505 Pkw pro 1000 Einwohner bzw. 1,35 Pkw pro Haushalt. Die Anzahl der Pkw pro Haushalt liegt also in Gebieten mit Schienenhaltepunkt signifikant niedriger als in Gebieten ohne Schienenhaltepunkt. Auch die Verteilung der verfügbaren Pkw pro Haushalt nach Abbildung 2.6 zeigt, dass der Anteil der autofreien Haushalte in Gebieten im Einzugsbereich von Schienenhaltepunkten höher ist (15 % gegenüber 11 %). Die Verfügbarkeit eines attraktiven Nahverkehrsangebotes auf der Schiene macht also den Besitz eines Fahrzeuges entbehrlich, wobei natürlich auch berücksichtigt werden muss, dass Haushalte ohne Pkw sich eher in der Nähe von Schienenhaltepunkten ansiedeln.
Abbildung 2.7: Verkehrsmittelwahl (alle Teilwege) [ILS 1998]
Bei der Betrachtung der Verkehrsmittelwahl (Abbildung 2.7) zeigt sich, dass im 1000-m-Einzugsbereich von Schienenhaltepunkten sowohl der nichtmotorisierte Individualverkehr (NMIV) stärker vertreten ist als auch der Schienen-ÖPNV. Dagegen ist der Anteil des motorisierten Individualverkehrs (MIV) in Gebieten ohne Schienenhaltepunkt deutlich höher. Auf Grund des verstärkten Busangebotes als Ausgleich für den nicht vorhandenen Schienenverkehr liegt der Bus-Anteil in diesen Gebieten zwar höher, der ÖPNV-Anteil ist hier aber insgesamt deutlich geringer (7,5 % gegenüber 12,5 %). Die stärkere ÖPNV-Orientierung in Gebieten mit Schienenhaltepunkt zeigt sich in einer Steigerung des ÖPNV-Anteils um 67 %.
Die ermittelten Modal Split Anteile wurden auch nach den Fahrtzwecken Arbeit, Versorgung, Freizeit und Ausbildung getrennt untersucht (Abbildung 2.8). Dabei zeigt sich, dass der Unterschied des ÖPNV-Anteils bei den Berufswegen besonders ausgeprägt ist. In Gebieten mit Schienenanschluss liegt der Anteil der ÖPNV-Nutzer um 12 Prozentpunke höher als in Gebieten ohne Schienenanschluss. Dagegen sind die Anteile des nichtmotorisierten Individualverkehrs (NMIV) im Berufsverkehrs auf Grund der höheren Wegeweiten sehr gering. Über die Hälfte aller Wege zur Arbeit sind länger als 10 km. Dies zeigt, dass auf Grund der längeren Wegeweiten vor allem im Berufsverkehr Einsparpotenziale beim MIV bzw. Möglichkeiten zur Verkehrsverlagerung auf den ÖV vorhanden sind. Beim Einkaufs- und Versorgungsverkehr zeigt sich ein hoher Anteil im Fuß- und Radverkehr (50 % mit bzw. 45 % ohne Schienenhaltepunkt) und daher ein niedriger ÖV-Anteil. Das liegt daran, dass bei Versorgungswegen für den täglichen Bedarf die Ausstattung mit Versorgungseinrichtungen im Nahbereich wichtig ist und die kurzen Wegeweiten den NMIV begünstigen. Auch im Freizeitverkehr werden über 40 % aller Wege nichtmotorisiert durchgeführt. Der große Unterschied im ÖV-Anteil von fünf Prozentpunkten bei einem allgemein niedrigen Ausgangsniveau deutet allerdings auf vorhandene Potenziale im Freizeitverkehr hin. Der hohe Anteil öffentlicher Verkehrsmittel im Ausbildungsverkehr liegt im altersbedingt geringen MIV-Anteil begründet (geringe Pkw- bzw. Führerscheinverfügbarkeit), und zeigt kaum Unterschiede zwischen Gebieten mit und ohne Schienenhaltepunkt.
Abbildung 2.8: ÖV-Anteile nach Fahrtzweck [ILS 1988]
Nutzungshäufigkeit des ÖPNV | Stammkunden | Nichtnutzer | Stichprobenumfang | |
insgesamt | mit Haltepunkt | 21 % | 33 % | 791 |
ohne Haltepunkt | 15 % | 47 % | 1050 | |
bei ständiger Pkw-Verfügbarkeit | mit Haltepunkt | 14 % | 42 % | 556 |
ohne Haltepunkt | 8 % | 33 % | 799 | |
mit Zeitkarte im Haushalt | mit Haltepunkt | 55 % | 12 % | 252 |
ohne Haltepunkt | 42 % | 25 % | 290 |
Der Vergleich der Nutzungshäufigkeit des ÖPNV in Gebieten mit und ohne Schienenanschluss zeigt signifikante Unterschiede. Insgesamt liegt der Anteil der Stammkunden in Gebieten mit Schienenhaltepunkt um 30 % höher als in Gebieten ohne Schienenhaltepunkt (siehe Tabelle 2.8), der Anteil der Nichtnutzer verringert sich entsprechend um 30 %. Bei ständiger Pkw-Verfügbarkeit im Haushalt liegt die Nutzungshäufigkeit erwartungsgemäß auf einem niedrigeren Niveau, jedoch ist sie in Gebiete mit Schienenhaltepunkt fast doppelt so hoch wie in Gebieten ohne Schienenhaltepunkt. Dies deutet darauf hin, dass ein Schienenverkehrssystem für Autofahrer attraktiver ist als ein rein straßengebundener öffentlicher Verkehr. Das gleiche Ergebnis ergibt sich auch bei der Betrachtung der Haushalte mit einer Zeitkarte, in denen die Nutzungshäufigkeit sehr viel höher liegt. Der Anteil der Nichtnutzer halbiert sich, wenn ein Schienenhaltepunkt im Umkreis von 1000 m verfügbar ist.
Die Ergebnisse der ILS-Studie bestätigen also die Annahme, dass sich das Vorhandensein eines Schienenhaltepunktes positiv auf den Modal Split Anteil des öffentlichen Verkehrs auswirkt. Die Verfügbarkeit eines schienengebundenen Verkehrsmittels führt zu einer signifikanten Erhöhung des SPNV-Anteils für alle Fahrtzwecke. Gleichzeitig sinkt der Anteil des MIV am Gesamtverkehr. Die Wahlfreiheit der Verkehrsmittel wird auf diese Weise sichergestellt und der Besitz eines eigenen Pkw wird durch das Angebot des SPNV entbehrlich, wie aus den Zahlen zum Fahrzeugbesitz gefolgert werden kann.
2.3.2 Erfahrungen aus den USA [ 1 | 2 | 3 ]
Die Broschüre "Building Livable Communities with Transit" liefert leider nur sehr wenig Zahlenmaterial in Bezug auf die verkehrlichen Auswirkungen des "transit-oriented development". In den meisten Fällen wird rein qualitativ festgestellt, dass sich die Fahrgastzahlen des öffentlichen Verkehrs infolge einer Entwicklungsmaßnahme stark erhöht haben. Die Zuwächse liegen in den Fällen, in denen quantitative Aussagen gemacht werden, bei ca. 6 %.
In "Ridership impacts of transit-focused development in California" des Institute of Urban and Regional Development beschreibt Robert Cervero die Ergebnisse einer Untersuchung des Mobilitätsverhaltens der Bewohner von Wohnungsbauprojekten an Schienenhaltepunkten in Kalifornien (z. B. BART in San Francisco, siehe auch 2.2.2). Dabei wurden 800 Haushalte in 28 Wohnungsbauprojekten befragt. Die folgenden Ergebnisse sind auch in [Cervero 1995] wiedergebeben:
Der Fahrzeugbesitz in zwölf Gebieten an Bahnhöfen des BART Systems von 1,26 Pkw pro Haushalt ist signifikant niedriger als der Wert von 1,94 Pkw pro Haushalt für vergleichbare Haushalte ohne Schienenhaltepunkt. Über 70 % dieser Haushalte hatten kein oder nur ein Fahrzeug, dies ist nur bei 48 % vergleichbarer Haushalte in Gebieten ohne Schienenhaltepunkt der Fall. Ein hoher Anteil der Bewohner dieser Gebiete arbeitet in Gegenden, die ebenfalls gut vom öffentlichen Verkehr erschlossen werden. 47 % der Arbeiter aus sieben Wohngebieten an BART Haltepunkten in Vorstädten von Oakland arbeiteten in der Innenstadt von San Francisco oder Oakland, verglichen mit nur 11 % der Arbeiter aus umliegenden Gebieten.
Diese Umstände führen dazu, dass Bewohner im Umkreis von einer viertel Meile (ca. 400 m) um Schienenhaltepunkte in Kalifornien dreimal so häufig mit der Bahn zur Arbeit pendeln wie der durchschnittliche Arbeiter in der gleichen Stadt. 33 % der Arbeiter, die in Wohngebieten an BART Haltepunkten wohnen, benutzen im Berufsverkehr die Bahn, dies tun nur 8 % aller Pendler in den drei Bezirken, die von BART bedient werden.
Die zwei wichtigsten Faktoren dieser Untersuchung, die die Bahnnutzung beeinflussen, sind die Zielwahl und das Parkraummanagement im Zielgebiet. Der Anteil der Bahnnutzer unter den Bewohnern von Wohnsiedlungen an Schienenhaltepunkten steigt, wenn das Ziel ebenfalls durch das Schienenverkehrsmittel erschlossen wird. Existiert ein Parkraummanagement im Zielgebiet, so fahren fast 90 % der Pendler mit der Bahn zur Arbeit, ist das Parken jedoch frei, so fahren nur noch 60 % mit der Bahn ins Zentrum von San Francisco. Für Oakland und Berkley liegt der Anteil der Bahnpendler noch bei 50 %. Für alle anderen Ziele, wo das Parken meistens frei ist, werden von Anwohnern an Schienenhaltepunkten nur noch 6 % aller Pendlerfahrten mit der Bahn unternommen.
In "Building Livable Communities with Transit" [FTA 1999a] werden Steigerungen der Fahrgastzahlen im öffentlichen Verkehr nach Tabelle 2.9 angegeben. Diese Zahlen zeigen, dass durch Berücksichtigung des ÖPNV bei der Flächennutzungsplanung und Bahnhofsumfeldgestaltung eine Steigerung des ÖPNV-Anteils erzielt werden kann. Des Weiteren haben Untersuchungen in den USA ergeben, dass durch Nutzungsmischung, höhere Wohndichten, ausgewogene Anteile von Wohnen und Arbeiten und wirkungsvolle Maßnahmen zum Parkraummanagement der Anteil der MIV-Fahrten um bis zu 18 % reduziert werden kann. Außerdem führt eine ansprechende Gestaltung des Siedlungsumfeldes (Bürgersteige, Beleuchtung, Sitzgelegenheiten, Umsteigemöglichkeiten, Service) zu einer Steigerung der ÖPNV-Nutzung von 4 % oder mehr [FTA 1999a].
Design und Merkmale der Flächennutzung | Auswirkungen auf den ÖPNV-Anteil |
Verfügbarkeit attraktiver Verkehrsmittel | 3,7 % Steigerung |
Mischung der Flächennutzung | 3,5 % Steigerung |
Zugänglichkeit der Verkehrsmittel | 3,3 % Steigerung |
Als sicher empfundene Gebiete | 1,8 % Steigerung |
Ästhetisch ansprechende Umgebung | 4,1 % Steigerung |
Die weiteren Auswirkungen von "transit-oriented development" in den USA sind eine Reduktion der Reisezeiten im gesamten Netz um 18 - 28 %, eine Verzögerung der Verschlechterung der Luftqualität, eine reduzierte Inanspruchnahme von Land für Straßeninfrastruktur und dadurch weniger öffentliche Ausgaben und außerdem ein stark gestiegener Fußgängerverkehr.
2.3.3 Szenarienbetrachtung im Schweizer Kanton Bern [ 1 | 2 | 3 ]
Der Kanton Bern verfolgt, wie in
Abschnitt 2.1.4 beschrieben, das Konzept der Entwicklungsschwerpunkte (ESP) und
den Ausbau der Berner S-Bahn. Zur Untersuchung der "regionalwirtschaftlichen
Auswirkungen der S-Bahn" und den Effekten von "flankierenden Maßnahmen zur
Umlagerung des Verkehrs auf das öffentliche Verkehrsnetz" wurde eine Szenarienbetrachtung
durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden im Bericht des Regierungsrates
des Kantons Bern [Bern 1992] folgendermaßen zusammengefasst:
Das Szenario "Trend" besteht allein aus der Einführung der S-Bahn ohne Begleitmaßnahmen. Das Szenario "Schwerpunkte" beinhaltet zusätzlich die Konzentration der Siedlungsentwicklung an Schienenhaltepunkten, allerdings ohne lenkende verkehrs- und siedlungspolitische Maßnahmen, die eine disperse Siedlungsentwicklung verhindern würden. Im Szenario "Umsteigen" werden Maßnahmen wie die Siedlungsbegrenzung an Orten ohne guten ÖV-Anschluss, die Bevorrechtigung für den ÖPNV und den Fahrradverkehr, der Verzicht auf Straßenbau und Parkplatzpolitik ergriffen [vgl. Difu 1998, S. 162].
Positive Auswirkungen können der Studie zufolge nur beim Szenario "Umsteigen" in allen vier Bereichen Wirtschaft, Siedlung, Verkehr und Umwelt erzielt werden. Bei diesem Szenario erhöht sich das Volkseinkommen, die Siedlungsentwicklung erfolgt dezentral konzentriert, das Verkehrsaufkommen wächst leicht mit einem deutlich gesteigerten ÖV-Anteil und es entstehen im Vergleich zu heute keine zusätzlichen Umweltbelastungen.
Abbildung 2.9: Siedlungsentwicklung
in Gemeinden mit und ohne Bahnanschluss [Difu 1998]
Aus der Schweiz liegen auch Erfahrungswerte für die Siedlungsentwicklung an Schienenhaltepunkten in der Vergangenheit vor. Im Vergleich zu Deutschland nimmt der ÖPNV in der Schweiz im täglichen Leben bereits heute eine sehr große Bedeutung ein. Dies zeigt sich insbesondere bei der Siedlungsentwicklung, wo sowohl für Wohnungssuchende als auch für Investoren bei der Wahl der Wohnungsstandorte die Verfügbarkeit eines schienengebundenen öffentlichen Verkehrsmittels ein wichtiges Kriterium ist [vgl. Difu 1998, S. 169]. Wie aus der Entwicklung der Einwohnerzahlen in Abbildung 2.9 deutlich wird, verlief die Entwicklung der Gemeinden an der Regionalbahn Bern-Solothurn (RBS) wesentlich stärker als die von vergleichbaren Gemeinden ohne Bahnanschluss. Die Einwohnerzahlen in den Gemeinden Krauchthal, Messen, Schlosswill, Limpach und Hessigkofen, die keinen Bahnanschluss haben, stagnierten im Nachkriegszeitraum oder waren sogar leicht rückläufig. Demgegenüber fand in den Gemeinden Urtenen, Vechigen, Jegenstorf, Moosseedorf und Stettlen, die über einen Bahnanschluss verfügen, ein starker Bevölkerungszuwachs statt, so dass die Einwohnerzahl 1985 in einigen Fällen das vierfache des Wertes von 1940 erreicht.
Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich auch bei den Büroflächen. Während in Zeiten einer schwachen Wirtschaft viele Bürobauten abseits der ÖPNV-Korridore im Umland der Gemeinden leer stehen, sind die Bürostandorte in der Nähe von Bahnhöfen und sonstigen Knoten des ÖPNV immer noch stark nachgefragt.
Diese Erfahrungen machen deutlich, wie stark die Nutzung des ÖPNV im täglichen Leben in der Schweiz verankert ist. Diese Tatsache ist bei der Bewertung der Auswirkungen zu berücksichtigen, wenn man versucht, ähnliche Strategien in Deutschland anzuwenden. Die Ziele und die Methoden der Baulandentwicklung an der Schiene sind aber in beiden Ländern die gleichen.