Stadt- Bahnperspektiven: Wirkungsabschätzung der räumlich-funktionalen Aufwertung des Bahnhofsbereiches Krefeld-Uerdingen
Abschnitt 2.1 Inhaltsverzeichnis Abschnitt 2.3

2.2   Beispiele für Baulandentwicklung an der Schiene

2.2.1  Bahnhofsentwicklung und Baulandentwicklung an der Schiene in Deutschland   [ 1 | 2 ]

Trotz des Niedergangs des Schienenpersonennahverkehrs, vor allem der Straßenbahnsysteme, in Deutschland in den 50er und 60er Jahren, sind die meisten Gebiete - vor allem natürlich die Ballungszentren - mit einem guten Schienenstreckennetz ausgestattet. Die erste Stilllegungswelle in den 70er Jahren hat dieses Netz vor allem in den ländlichen Gegenden stark ausgedünnt. In der aktuellen Entwicklung deutet bzw. deutete sich eine zweite Stilllegungswelle an, die aber im Zuge des öffentlichen und politischen Stimmungsumschwungs zugunsten des öffentlichen Schienenpersonennahverkehrs noch zu verhindern ist.

In den meisten Bundesländern existieren zwischen dem jeweiligen Land und der Deutschen Bahn AG Vereinbarungen, die einen Rückbau von der Stillegung bedrohter Strecken vorerst verhindern. Deshalb sind gerade jetzt noch günstige Voraussetzungen gegeben, um durch den Prozess der Baulandentwicklung an der Schiene, den SPNV wieder zu stärken und so das vorhandene Bahnnetz zu erhalten und in Zukunft weiter auszubauen (Regent Konzept der DB AG, Betrieb von Nebenbahnen nach BOStrab, Karlsruher Modell).

Im folgenden werden einige Projekte zur Bahnhofsentwicklung und Baulandentwicklung an der Schiene in Deutschland beschrieben. Dies ist keine vollständige Zusammenstellung aller Projekte in Deutschland, sondern nur eine begrenzte Auswahl. Für weiterführende Informationen zu diesen Projekten wird auf die angegebene Literatur verwiesen.

Bahnhöfe an der Köln-Mindener Eisenbahn

Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Emscher Park (IBA) wurde an der Strecke der Köln-Mindener Eisenbahn eine Reihe von Bahnhofsprojekten durchgeführt. Die IBA war als Strukturprogramm für das nördliche Ruhrgebiet (Emscher-Zone) angelegt, mit dem von 1989 bis 1999 verschiedene Projekte zur städtebaulichen und ökologischen Erneuerung realisiert wurden. In Zusammenarbeit mit 17 Städten wurden ca. 110 Projekte mit einem Investitionsvolumen von fast 5 Mrd. DM umgesetzt [DB]. Dabei entstand eine "neue Planungskultur" [Dahlheimer 1998] durch die Zusammenarbeit zwischen den Kommunen, privaten Unternehmen und der IBA Organisation, die auch nach Abschluss der IBA bei der Fortsetzung von Projekten weiterhin Bestand haben wird.

Die Bahnhofsprojekte beinhalteten eine Erneuerung der Bahnhofsbereiche an der Köln-Mindener Eisenbahn und die Einrichtung von Fahrradstationen im Emscherraum, mit dem Ziel einer Wiederbelebung des Verbundes aus Fahrrad und Bahn. Realisiert wurden IBA-Projekte an folgenden Bahnhöfen: Oberhausen Hbf, Bottrop Hbf, Essen-Altenessen, Gelsenkirchen Hbf, Wanne-Eickel Hbf, Herne, Castrop-Rauxel Hbf, Dortmund-Mengede, Lünen Hbf, Kamen und Hamm (siehe Abbildung 2.2).


Abbildung 2.2: Verlauf der Köln-Mindener Eisenbahn

Die Erneuerung der Bahnhofsbereiche umfasste verkehrliche Maßnahmen, städtebaulich gestalterische Maßnahmen und eine ökonomische Revitalisierung nach Tabelle 2.4. Der Aufbau von Fahrradstationen an den Bahnhöfen wurde im Rahmen des Programms "100 Fahrradstationen" des Landes NRW realisiert. Das Angebot der Fahrradstationen umfasst  u. A. die Fahrradbewachung, Pannenhilfe und Reparatur, Gepäcktransport und Aufbewahrung und Mobilitätsberatung [Blase 1996].

Die Steigerung der Attraktivität der Bahnhöfe und des Fahrradverkehrs hat zu einer Stärkung des SPNV in der Region geführt. Auch wenn die "Baulandentwicklung an der Schiene" kein direkter Bestandteil der IBA Projekte war, so wurden dennoch durch die Verbesserung der Zugänglichkeit (z. B. Durchstich von Personentunneln) sowie die Aufwertung der Bahnhofsrückseiten neue Siedlungsbereiche für den Bahnverkehr erschlossen. Kennzeichnend für die streckenbezogene Förderung in diesem Projekt ist die Kombination aus der Aufwertung der Bahnhofsbereiche und dem Ausbau des Nahverkehrsangebots auf dieser Strecke mit dem Ziel, die Attraktivität der Bahn insgesamt zu steigern und damit neue Fahrgastpotenziale zu erschließen.

Verkehrliche Maßnahmen
  • Verbesserung der Umsteigemöglichkeiten zwischen Bahn und Bus
  • Verbesserung der Fahrgastinformation
  • Verbesserung der Sicherheit
  • Entwicklung von Fahrradstationen
  • Öffnung der Personentunnel
  • Bau von P+R-Anlagen
Städtebaulich gestalterische Maßnahmen
  • Neugestaltung der Bahnhofsplätze
  • Erneuerung der Bahnhofsgebäude
  • Neugestaltung der Personentunnel und der Bahnsteige
Ökonomische Revitalisierung
  • Umnutzung von bestehenden Gebäuden und Neubebauung von Freiflächen im
  • Bereich der Bahnhofsplätze
  • Entwicklung der alten Bahnhofsrückseiten
  • Attraktivitätssteigerung des Waren- und Dienstleistungsangebots in den Empfangsgebäuden
Tabelle 2.4: Maßnahmen der IBA Emscher Park zur Erneuerung der Bahnhofsbereiche an der Köln-Mindener Eisenbahn [Blase 1996]

RegionalStation Zukunft - Wohnquartiere am Haller Willem

Die historische Bahnstrecke von Bielefeld über Halle (Westfalen) nach Osnabrück (Haller Willem), die schon 1886 eröffnet wurde, war in den 90er Jahren von der Stilllegung bedroht. Als Projekt im Rahmen der EXPO 2000 in Hannover wurde die Strecke jedoch rundum saniert und mit neuen Fahrzeugen ein attraktives Betriebsprogramm realisiert. Einen Überblick über die Streckenführung des Haller Willem gibt Abbildung 2.3.

Der Personenverkehr auf dem niedersächsischen Streckenabschnitt von Dissen-Bad Rothenfelde nach Osnabrück wurde schon 1984 eingestellt, eine Rahmenvereinbarung zwischen dem Land NRW und der Deutschen Bahn sicherte 1989 den Erhalt des nordrhein-westfälischen Teils der Strecke. Im Jahre 1996 erfolgte die Anmeldung als dezentrales Projekt zur EXPO 2000 in Hannover und die Förderung der Streckensanierung durch das Land Nordrhein-Westfalen [IHW].

Im Rahmen des EXPO-Projektes RegionalStation Zukunft wurden nicht nur die Gleisanlagen saniert, sondern auch neue beschleunigungsstarke und komfortable Fahrzeuge (VT 644 Talent) für den Betrieb beschafft. Mit dem Fahrplanwechsel im Mai 2000 verkehren die Züge zwischen Dissen-Bad Rothenfelde und Halle im 60-Min-Takt und zwischen Halle und Bielefeld im 30-Min-Takt, mit einem darauf abgestimmten Zubringerverkehr. Die Bahnhöfe entlang der Strecke erhielten neue Bahnsteige für einen stufenlosen Ein- und Ausstieg, attraktive Warte- und Infopavillions des "DB PlusPunkt Modulsystems" und neue Verknüpfungsanlagen wie Bushaltestellen, Parkplätze und Fahrradabstellanlagen. Einige Haltepunkte wurden verlegt oder neu eingerichtet (Quelle Kupferheide, Steinhagen Bielefelder Straße, Halle Künsebeck), um dadurch neue Stadtquartiere zu erschließen [IHW].


Abbildung 2.3: Streckenführung des Haller Willem (Graphik: Typos Bielefeld) [VVOWL]

Unter dem Motto "Lebensqualität mit Gleisanschluss" werden an den Haltepunkten Quelle-Kupferheide, Steinhagen Bielefelder Straße, Halle Künsebeck und Borgholzhausen Wohnungsbauprojekte mit insgesamt 2000 Wohneinheiten für 4000 neue Bewohner realisiert. Diese neuen Siedlungen bieten den Bewohnern direkten Zugang zum Haller Willem und damit eine schnelle Schienenverbindung in das regionale Oberzentrum Bielefeld. Neben der Wohnnutzung wurden aber auch Tourismus, Kultur und Freizeit berücksichtigt. So wurden in Halle ein Haltepunkt "Gerry Weber Stadion" eingerichtet, die Haltepunkte Hesseln und Westbarthausen wurden optimal in das Wander- und Radwegenetz eingebunden und im neuen Bahnhofsviertel Bielefeld stehen Freizeiteinrichtungen wie ein Großkino und ein Schwimmbad zur Verfügung [VVOWL].

Ort Haltepunkt Wohnbau-Projekt Wohneinheiten
Bielefeld Quelle-Kupferheide Waldquelle 150 WE
Bielefeld Quelle-Kupferheide Alleestraße 840 WE
Bielefeld Quelle-Kupferheide Kupferheide 55 WE
Steinhagen (Westf.) Bielefelder Straße Diekmann 550 WE
Halle (Westf.) Künsebeck Müller, Pape, Neuer Kamm 250 WE
Tabelle 2.5: Wohnbauprojekte am Haller Willem [VVOWL]

Mit der Schaffung neuer Wohnquartiere an Schienenhaltepunkten im Rahmen des Projekts "RegionalStation Zukunft" wird die Mobilität der Bewohner auch ohne das Auto sichergestellt, werden die Potenziale des Schienenverkehrs genutzt und durch die Gewinnung neuer Fahrgäste der Erhalt der Bahnstrecke langfristig gesichert.

Umweltbahnhof Rheinland-Pfalz

Das Projekt "Umweltbahnhof Rheinland-Pfalz" ist die wesentliche Initiative des Landes Rheinland-Pfalz zur Bahnhofsumfeldentwicklung. Die zugrundeliegende Idee besteht darin, die gesellschaftliche Akzeptanz der Bahn zu erhöhen, indem sie als umweltfreundliches Verkehrsmittel stärker herausgestellt wird [Speck 1996]. Zum einen bieten die Bahnanlagen selber das Potenzial für eine umweltfreundliche Gestaltung als ökologische Freiräume und zum anderen ist das Verkehrsmittel Bahn der Hauptbestandteil einer umweltfreundlichen Mobilität.

Mit der Auswahl der vier Bahnhöfe Bullay an der Mosel, Nieder-Lahnstein, Grünstadt und Monsheim hat man sich auf vier Standorte geeinigt, die als Modellprojekte entwickelt werden sollen. Für die vier Bahnhofsstandorte wurden städtebauliche Rahmenpläne erarbeitet, deren Zielvorstellungen [Speck 1996] folgendermaßen wiedergibt:

Die Wiedereröffnung der Bahnstrecke von Grünstadt nach Monsheim im Mai 1995, und die damit verbundene Angebotsverbesserung auf der Schiene, war ein Grund für die Auswahl dieser Bahnhöfe als Modellstandorte. Direkt am Bahnhof Grünstadt wurde ein neuer Bushof gebaut, mit dem auch der Busverkehr in der Stadt neu geordnet wurde. Auf der ehemaligen Rückseite des Bahnhofs entstand ein Neubaugebiet, das mit der Verlängerung und dem Ausbau des Bahnhofstunnels als Verbindung für Fußgänger und Radfahrer an den Bahnhof angeschlossen wurde. Des Weiteren wurde der ruhende Verkehr am Bahnhof neu geordnet, eine Fußgängerzone als Verbindung in die Innenstadt geschaffen und die ehemalige Güterhalle in eine Markthalle umgenutzt. Die Maßnahmen in Monsheim bestanden in einer Wiederbelebung des Bahnhofsgebäudes (Reisebüro, Läden, Ärztezentrum und Wohnungen), der Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes und der Orientierung des Radwegenetzes auf den Bahnhof [Loose 1995].

Bullay an der Mosel hat einen hohen Anteil von Touristen an den Fahrgästen. Die Maßnahmen am Bahnhof umfassen die Einrichtung einer Mobilitätszentrale, die Umnutzung des Bahnhofsgebäudes als Kulturzentrum (VHS, Vereine, Restaurant), die Schaffung eines neuen Bushofs und den Durchstich des Fußgängertunnels als direkten Zugang zur Ortsmitte. Am Bahnhof Niederlahnstein wurde ein neuer Zugang zu den Bahnsteigen mit einem neugestalteten Bahnhofsplatz geschaffen. Die Bahnhofstraße als Verbindung in die Innenstadt wurde aufgewertet, indem Autoverkehrsflächen zurückgebaut und dem Fußgänger- und Radverkehr mehr Raum zugeteilt wurden. Am Bahnhof selbst fand eine Verdichtung mit Büro- und Wohnraumnutzung statt [Loose 1995].

Aus dem Umweltbahnhof als neue Strategie der integrierten Siedlungs- und Verkehrsentwicklung lassen sich neue Potenziale ableiten: Die Konzentration der Innenentwicklung auf das Bahnhofsumfeld trägt zur Reduzierung des Landschaftsverbrauchs und der Zersiedlung bei. Durch das Ziel der Funktionsmischung im Bahnhofsumfeld aus Wohnen, Versorgung, Arbeit, Dienstleistung und Erholung wird eine Stadt der kurzen Wege und damit eine Verkehrsvermeidung erreicht. Des Weiteren soll der Bahnhof als "Brücke in der Siedlung" dienen, indem die Rückseiten der Bahnhöfe, die sog. "zweite Bahnseite", vordringlich erschlossen werden, und der Bahnhof dadurch wieder in das Zentrum der Siedlungen rückt.

Einzelprojekte in Nordrhein-Westfalen

In der Broschüre des Ministeriums für Bauen und Wohnen des Landes NRW "Wohnen am öffentlichen Nahverkehr" [Pesch 1997] werden weitere Projekte der Siedlungsentwicklung an der Schiene in Nordrhein-Westfalen vorgestellt.

Ort Beschreibung ÖV-Erschließung Größe
Arnsberg-Oeventrop Innovatives Wohnprojekt am Bahnhof DB-Haltepunkt 160 WE
auf 3 ha
Bad Salzufflen Attraktiver Mietwohnungsbau an einer Stadtbus-Linie Stadtbus 95 WE
auf 1,9 ha
Düsseldorf-Rath Neues Wohnquartier zwischen Stadtteilzentrum und Stadtwald S-Bahn 325 WE
auf 5,4 ha
Köln-Ossendorf Wohnen auf einem Kasernengelände Straßenbahn 1.260 WE
auf 23,5 ha
Köln-Porz Gemeinschaftliches Wohnen am Stadtrand Straßenbahn und S-Bahn 270 WE
auf 5 ha
Lemgo Hochwertiger Wohnstandort an einer Stadtbus-Linie Stadtbus 26 WE
auf 0,4 ha
Meerbusch Neuer Siedlungsschwerpunkt an der Stadtbahn Stadtbahn 3.000 WE
auf 121 ha
Mettmann-West Stadterweiterung an der Regio-Bahn Regio-Bahn 750 WE
auf 30 ha
Schwelm-Ost Wohnen an einem neuen S-Bahn-Haltepunkt S-Bahn 590 WE
auf 15 ha
Soest Neuer Wohnraum und gestalterische Aufwertung am Bahnhof Hauptbahnhof und Bushof 43 WE
auf 0,3 ha
Wuppertal-Vohwinkel Wohnen auf einem alten Güterbahnhofsgelände S-Bahn und RE 445 WE
auf 5,6 ha
Tabelle 2.6: Fallbeispiele "Wohnen am öffentlichen Nahverkehr" in NRW [Pesch 1997]

Das Projekt in Schwelm-Ost ist ein neues Wohngebiet an einem geplanten S-Bahn Haltepunkt. Die Städte Bad Salzufflen und Lemgo verfügen über ein attraktives Stadtbus-System als Zubringer zu den Bahnhöfen. Diese Auswahl von Projekten aus Nordrhein-Westfalen zeigt die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von Baulandentwicklung an der Schienen unter den unterschiedlichsten Bedingungen. Es kann daher auch kein einheitliches starres Konzept, sondern für jede Situation nur individuell angepasste Lösungen geben.

2.2.2  Beispiele für "transit-oriented development" aus den USA   [ 1 | 2 ]

Zu den Beispielen aus den USA ist anzumerken, dass "transit-oriented development" (TOD) nicht in jedem Fall mit dem deutschen Konzept der "Baulandentwicklung an der Schiene" gleichgesetzt werden kann. "Transit" bedeutet eben nicht nur Schienenverkehr, sondern bezieht auch Bus-Systeme mit ein. In den letzten Jahren wurden in US-Städten zwar verstärkt neue Stadtbahnsysteme gebaut, dennoch besitzen immer noch viele Städte in den USA keinen leistungsfähigen Schienenpersonennahverkehr (mit Ausnahme der "Metro-Städte"). Die Zubringersysteme zu den wenigen vorhandenen Schienenverkehrsmitteln sind daher um so wichtiger. Deshalb kann es in den USA häufig auch sinnvoll sein, die Baulandentwicklung auf Haltepunkte leistungsfähiger Buslinien auszurichten.

Vorgestellt werden hier nur einige Projekte aus der ganzen Bandbreite an Möglichkeiten vom "joint development" bis zum "transit-based housing". Die Broschüre der Federal Transit Administration "Building Livable Communities with Transit" [FTA 1999a] enthält eine große Anzahl weiterer Projekte aus verschiedenen Städten der USA. Durch diese Vielzahl an Beispielen wird deutlich, dass die "Baulandentwicklung an der Schiene" auch in den USA einen hohen Stellenwert einnimmt.

"Joint developments" in Washington und Los Angeles

Die Washington Metropolitan Area Transportation Authority (WMATA) begann bereits im Jahr 1973 mit einer Politik des "joint development", bevor überhaupt die erste Metro im Jahr 1976 eröffnet wurde. In den ersten fünf Jahren des Betriebs der Metro wurden bereits Entwicklungsmaßnahmen mit einem Investitionsvolumen von mehr als 1.000.000 $ in der näheren Umgebung von Metrostationen verwirklicht. Im Rahmen dieser Politik koordiniert die WMATA Verbesserungsmaßnahmen an Immobilien. Dazu gehört z. B., dass Kaufhäuser direkte Zugänge zu den Metrostationen erhalten oder Büro- und Geschäftskomplexe mit Bus- und Metrostationen kombiniert werden [Marchetti 1995].

Auch die Metropolitan Transit Authority (MTA) von Los Angeles begann 1992 mit der Strategie des "joint development". Das erste Projekt war die Restaurierung eines historischen Gebäudekomplexes am Grand Central Square. Dazu gehörte die Renovierung von Wohnungen, Theater im Erdgeschoss und die Vergrößerung des zentralen Marktes. Außerdem werden die Zugänge für Fußgänger zu den Eingängen der U-Bahn verbessert. Das Ziel der MTA ist die Ansiedlung von neuen Bewohnern in der Innenstadt in der Nähe von U-Bahn-Stationen [Marchetti 1995].

"Transit-based housing" in Kalifornien

Kalifornien gehört in den USA zu den Staaten, die die Entwicklung von Wohnbebauung an Schienenhaltepunkten besonders fördern. Im Zeitraum von 1985 bis 1994 wurden in Kalifornien 26 große Wohnungsbauprojekte mit insgesamt 6.500 Wohneinheiten verwirklicht, die nicht weiter als eine viertel Meile (ca. 400 m) von einem Haltepunkt an der Schiene entfernt liegen [Cervero 1995]. Gefördert wurden diese Projekte von den örtlichen Regierungen durch Steuererleichterungen, Hilfen beim Erwerb des Baulandes und durch finanzielle Förderung hoher Bebauungsdichten.

Das Umland von San Francisco wird durch das Bay Area Rapid Transit (BART) System erschlossen (Abbildung 2.4). Vor allem an diesen BART Schienenhaltepunkten findet eine verstärkte Siedlungsentwicklung statt. Gefördert werden diese Projekte durch die Initiative der Metropolitan Transportation Commission (MTC) "Transportation for Livable Communities in the BART Area" [MTC 2000]. Teil dieser Initiative ist sowohl die finanzielle Förderung von Projekten als auch die technische Beratung bei der Planung und Umsetzung.


Abbildung 2.4: Liniennetz des Bay Area Rapid Transit Systems [BART]

Diese Projekte beinhalten die Verbesserung der Erreichbarkeit der Schienenhaltepunkte für Fußgänger und Radfahrer durch Gehwegverbreiterung, die Anlage von Radwegen und Verkehrsberuhigungsmaßnahmen. Die soziale Sicherheit soll durch eine verbesserte Straßenbeleuchtung gesteigert werden. Außerdem werden Büro- und Geschäftskomplexe, das Angebot öffentlicher Dienstleistungen und die Schaffung von günstigem Wohnraum an BART- und Stadtbahn-Haltepunkten gefördert [MTC 2000].

"Transit-oriented development" in San Diego

B. A. Marchetti beschreibt in seiner Arbeit "Transit-oriented development in San Diego" [Marchetti 1995] die Bemühungen der Stadt San Diego in Kalifornien um eine effektive Anwendung des "transit-oriented development" (TOD). Die Stadt San Diego ist geprägt von einer weit ins Umland reichenden Bebauung geringer Dichte und ist auf Grund dieser Siedlungsstruktur für den öffentlichen Nahverkehr eher ungeeignet. Seit 1974 können 25 % der Mineralölsteuereinnahmen des Bezirks San Diego in die Entwicklung von spurgeführten Nahverkehrsmitteln investiert werden. Daraufhin wurden zwei Stadtbahn-Linien (South Line, Eröffnung 1981, und East Line) gebaut, die das Stadtzentrum mit dem Umland verbinden. Diese wurden zu 90 % aus Mineralölsteuereinnahmen finanziert. Genutzt wird die Schienen­infrastruktur einer ehemaligen Güterzugstrecke, was für die Erschließung der Siedlungen ungünstig ist.

Die Auswirkungen der South Line auf die Flächennutzung wurden näher untersucht. Dabei zeigten sich keine nennenswerten Effekte, die im Zusammenhang mit der Stadtbahnlinie stehen könnten. Allerdings konzentrieren sich die Baugenehmigungen im Stadtbahnkorridor auf die Bereiche um die Haltepunkte, dazwischen gab es keine Bautätigkeit [Marchetti 1995]. Es gab jedoch auch keine Bemühungen, die Baulandentwicklung an den Haltepunkten besonders zu fördern, so dass hier mit den Maßnahmen des "joint development" und "transit-oriented development" noch Potenziale für zukünftige Entwicklungen vorhanden sind.

Im August 1992 hat das San Diego City Council die aktuellen Leitlinien des "transit-oriented development" zur offiziellen Politik gemacht. Dieses Konzept soll jetzt in Entwicklungs-, Innenstadt- und Erweiterungsgebieten an den strategischen Punkten des Stadtbahnsystems und Expressbusnetzes angewandt werden. Dabei geht es vor allem um Baulückenschließung zur Nachverdichtung (z. B. als "joint development") an Stadtbahnhaltestellen und um Wohnbebauung im Einzugsbereich der Zubringerbuslinien ("neighborhood TODs") [Marchetti 1995].


Abbildung 2.5: Oceanside - Escondido Rail Project [Kartengrundlage: FTA 1999b]

Eine Maßnahmen im Norden von San Diego County ist das Oceanside - Escondido Rail Project (Abbildung 2.5). Vorgesehen ist der Betrieb mit Dieseltriebwagen auf einer ehemaligen Güterzugstrecke von Oceanside an der Pazifikküste über die Städte Vista und San Marcos nach Escondido. Die Strecke besteht aus 15 Haltepunkten, wovon vier gleichzeitig bestehende ÖV-Verknüpfungspunkte ("transit centers") sind, und verbindet die Geschäftszentren der vier Städte miteinander. Daneben liegen auch einige Bürokomplexe, Gewerbeflächen, Krankenhäuser, Einkaufzentren und der Campus der California State University San Marcos an der Bahnstrecke. Zur Zeit befindet sich das Projekt in der letzten Entwurfsphase [FTA 1999b].

Die Flächennutzungspläne der Städte berücksichtigen höhere Bebauungsdichten und Nutzungsmischung an den Bahnhofsstandorten, um die zukünftige Siedlungsentwicklung dort zu konzentrieren. Es wird erwartet, dass die Bevölkerung und die Anzahl der Arbeitsplätze um die Bahnhofsstandorte bis 2015 um 49 % bis 66 % zunehmen. Die örtlichen Entwicklungspläne fördern den ÖPNV-freundlichen Charakter der Entwicklungsgebiete mit fußgängerorientierten Entwicklungsmaßnahmen (z. T. als "joint developments"), die eine gemischte Nutzung für Geschäfte, Wohnungen und Büros vorsehen [FTA 1999b].

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