2 Baulandentwicklung an der Schiene und die Effekte auf das Mobilitätsverhalten und die Bahnnutzung
2.1 Aktuelle politische Rahmenbedingungen und Programme [ 1 | 2 | 3 | 4 | 5 ]
Sowohl in Deutschland ("Baulandentwicklung an der Schiene") als auch in den USA ("transit oriented development"), der Schweiz ("Entwicklungsschwerpunkte"), den Niederlanden ("ABC-Standortplanung") und bedingt auch in Großbritannien ("integrated transport") nimmt die Förderung der Siedlungsentwicklung an Haltepunkten des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) seit einiger Zeit einen hohen Stellenwert in der Flächennutzungsplanung ein. Dabei werden die Ziele der Verkehrspolitik, die Verkehrsverminderung bzw. die Verkehrsverlagerung auf umweltfreundliche Verkehrsmittel, mit dem Ziel einer nachhaltigen Stadtentwicklung kombiniert. Bestandteil dieser Stadtentwicklung ist neben der Konzentration der Siedlungsentwicklung entlang von Achsen, die besonders gut vom ÖPNV erschlossen werden (sog. ÖPNV-Korridore) vor allem das Erreichen einer höheren Siedlungsdichte und eine stärkere Nutzungsmischung.
Die Hauptbestandteile einer zukunftsfähigen Siedlungsentwicklung sind
Diese drei Bestandteile führen zu Vorteilen bzw. Einsparungen in drei Bereichen: Durch die Steigerung des ÖPNV-Anteils wird die Umweltbelastung reduziert, durch die verbesserte Auslastung wird das Betriebskostendefizit des ÖPNV verringert und damit die öffentlichen Haushalte entlastet und die bessere Auslastung der bestehenden öffentlichen und privaten Infrastruktur hat einen geringeren Bedarf an Neuinvestitionen zur Folge [vgl. Difu 1998, S. 153]. Des Weiteren soll durch eine Politik der "dezentralen Konzentration" der Prozess der Zersiedlung der Landschaft gestoppt werden.
Die drei Elemente der zukunftsfähigen Siedlungsentwicklung finden sich mehr oder weniger in der Verkehrs- und Stadtentwicklungspolitik in Deutschland, den USA und im Vereinigten Königreich wieder, die nachfolgend kurz erläutert werden. Als zwei weitere Programme werden die wirtschaftlichen Entwicklungsschwerpunkte (ESP) im Kanton Bern in der Schweiz und die ABC-Standortplanung in den Niederlanden beschrieben.
2.1.1 Baulandentwicklung an der Schiene in Deutschland [ 1 | 2 | 3 | 4 | 5 ]
Die Siedlungsentwicklung an der Schiene wird in Deutschland auf Landesebene verstärkt gefördert. So sehen z. B. in Nordrhein-Westfalen die Förderrichtlinien Stadterneuerung von 1998 die besondere Förderung von Stadterneuerungs- und Siedlungsprojekten an Haltepunkten des Schienenverkehrs vor; in Brandenburg ist die Stärkung der Schienenverbindungen Bestandteil der verkehrspolitischen Leitlinien des Landes. Durch das Regionalisierungsgesetz von 1996 wurde die Position der Länder gestärkt, da dadurch die Verantwortung für den schienengebundenen Nahverkehr auf die Bundesländer übertragen wurde.
Die Länder unterstützen diese Entwicklung mit verschiedenen Förderinstrumenten. In Nordrhein-Westfalen wird die Baulandentwicklung an der Schiene sowohl vom Ministerium für Bauen und Wohnen (MBW) durch die Wohnungsbauförderung als auch vom Ministerium für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und Sport (MASSKS) durch die Förderung der Stadterneuerung unterstützt. In den Wohnungsbauförderungsbestimmungen [MBW 1997] findet sich unter den städtebaulichen Voraussetzungen folgende Bestimmung:
Dabei werden für den Einzugsbereich von Haltepunkten des öffentlichen Verkehrs Radien nach Tabelle 2.1 empfohlen. Nur Standorte innerhalb dieser Einzugsbereiche bieten gute Voraussetzungen für die Erreichbarkeit des ÖPNV mit nichtmotorisierten Verkehrsmitteln, und gewährleisten damit die Mobilität unterdurchschnittlich motorisierter Haushalte des öffentlich geförderten Wohnungsbaus [Pesch 1997].
Verkehrsmittel an der Haltestelle | max. Radius des Einzugsbereiches |
regionale Schienenstrecken (DB, S-Bahn) | 1.500 m |
Stadtbahn, U-Bahn, Straßenbahn | 500 m |
Bus (O-Bus, Schnell- und Stadtbusse) | 300 m |
Der Einzugsbereich von Schienenhaltepunkten kann neben der reinen Entfernungsangabe auch über den Zeitaufwand zum Erreichen des Bahnhofs angegeben werden. Der maximale zumutbare Zeitaufwand ist dabei abhängig vom gewählten Zubringerverkehrsmittel und lässt sich dann auch in eine Entfernung umrechnen (siehe Tabelle 2.2). Bei öffentlichen Verkehrsmitteln als Zubringer sind "ungebrochene Zubringerverkehre mit Bus oder Straßenbahn, attraktive Umsteigezeiten und bequeme Umsteigemöglichkeiten auf die Schiene" [Pesch 1997] besonders wichtig. Bei Fuß- und Radwegen sind auch die topographischen Bedingungen und die Gestaltung des Wegenetzes (attraktive Wegeführung, Sicherheit) von Bedeutung.
Zubringerverkehrsmittel | max. Zeitaufwand im Zubringerverkehrsmittel |
Öffentlicher Verkehr im Ballungsraum | 15 min Reisezeit |
Öffentlicher Verkehr im ländlichen Raum | 20 min Reisezeit |
fußläufige Erreichbarkeit | 15 min Gehzeit (ca. 1 km) |
Radwegeverbindung | 10 min Fahrzeit (ca. 2 km) |
In den Förderrichtlinien Stadterneuerung des Landes NRW von 1998 [MSKS 1998] sind für die Baulandentwicklung an der Schiene vor allem drei Fördertatbestände von besonderer Wichtigkeit:
Die Förderung nach Nr. 17 dient direkt dem Ziel, die Siedlungsentwicklung auf den ÖPNV auszurichten, dabei insbesondere auf den SPNV. Die Förderung nach Nr. 14 und 15 dient dem Ziel der Nachverdichtung und der Verhinderung der Ausweitung von Siedlungsflächen, indem das Flächenrecycling gegenüber Stadterweiterung bevorzugt wird. Die Mobilisierung und Herrichtung von Brachflächen ist häufig direkt auf Standorte an der Schiene bezogen, da diese oft aus nicht mehr benötigten Liegenschaften der Bahn bestehen.
Das Land Rheinland-Pfalz verfolgt das Ziel einer integrierten Verkehrs- und Siedlungsentwicklung seit 1992 mit dem Modellprojekt "Umweltbahnhof Rheinland-Pfalz". Daneben gibt es noch weitere Initiativen der Städte und Gemeinden und des Landes sowie die Projekte "Regio-Bahnhof" der Straßenbauverwaltung [Speck 1996]. Als Finanzhilfen stehen hier unter anderem Fördermittel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) und der Regionalförderung zur Verfügung [Mediastadt 1997].
Die Aufwertung von Bahnhofsstandorten im Rahmen der Initiative "Umweltbahnhof Rheinland-Pfalz" wurde daraufhin mit der Erarbeitung eines Planungshandbuches und der Realisierung von vier Modellprojekten betrieben (siehe auch 2.2.1). Das Planungshandbuch "Umweltbahnhof Rheinland-Pfalz" [Mediastadt 1997] beschreibt die Grundlagen, Zielvorstellungen, Planungsschritte, Umsetzung und Ergebnisse der bisherigen Planungen. Dabei werden die komplexen Planungsprozesse, die Elemente aus Siedlungs-, Verkehrs- und Umweltpolitik miteinander verknüpfen, umfassend erläutert.
Auch das Land Brandenburg, vertreten durch das Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr (MSWV), unterstützt die Bahnhofsumfeldentwicklung mit verschiedenen Förderprogrammen. Dabei existieren u. A. folgende Fördermöglichkeiten [ISW 1995]:
Dabei wird auch verstärkt die Kostenübernahme oder Kostenbeteiligung von Privaten im Rahmen einer "Public-Private-Partnership" (PPP) durchgeführt. Dieser Begriff umfasst ein breites Spektrum von Kooperationsmöglichkeiten zwischen der öffentlichen Hand und privaten Investoren [ISW 1995]. Die organisatorischen Fragen der Bahnhofsentwicklung und das planerische Vorgehen werden im Leitfaden "Entwicklung von Bahnhofsumfeldern: Investieren in die Zu(g)kunft" behandelt.
In Deutschland wird in diesem Zusammenhang auch verstärkt auf streckenbezogene Ausbauprogramme gesetzt. Dabei wird versucht, nicht jeden Bahnhofsstandort für sich getrennt zu betrachten, sondern alle Maßnahmen entlang einer Strecke in einem Paket zu koordinieren. Beispiele für solche Projekte sind z. B. die Entwicklung der Bahnhöfe entlang der Köln-Mindener-Eisenbahn in der Emscher-Zone (IBA-Projekte), das EXPO-Projekt Haller-Willem an der Strecke Bielefeld - Halle (Westf.) - Dissen-Bad Rothenfelde oder auch das Konzept der "Regionalen". Einige dieser Beispiele werden im Abschnitt 2.2 näher beschrieben.
2.1.2 "Transit-oriented development" in den USA [ 1 | 2 | 3 | 4 | 5 ]
Spätestens seit dem Intermodal Surface Transportation Efficiency Act (ISTEA) von 1991 wird die Siedlungsentwicklung am öffentlichen Nahverkehr in den USA auch fördertechnisch unterstützt. Die amerikanische Bundesbehörde für den öffentlichen Verkehr, die Federal Transit Administration (FTA), fördert die Siedlungsentwicklung am öffentlichen Nahverkehr mit dem Programm "Building Livable Communities with Transit" und mit den Maßnahmen des "joint development".
Das Hauptanliegen des Intermodal Surface Transportation Efficiency Act war die Neuorganisation der institutionellen und finanziellen Aspekte der städtischen Verkehrsplanung in den USA mit dem Ziel einer umweltfreundlicheren und nachhaltigen Verkehrsabwicklung. Die wichtigsten Elemente dieses Gesetzes [nach Polak 1997] sind die folgenden:
Mit dem Programm "Building Livable Communities with Transit" versucht die Federal Transit Administration (FTA) die Abhängigkeit der Bevölkerung vom Individualverkehr durch die Förderung der Verkehrsmittel des Umweltverbundes (Fuß, Fahrrad, ÖPNV) zu verringern. Das Wachstum der Ballungszentren und die damit verbundene disperse Siedlungsausbreitung im Umland ("urban sprawl") haben in der Vergangenheit zur Verlängerung der Wegeweiten, zur Verschlechterung der Bedingungen für Fußgänger, zum vermehrten Auftreten von Verkehrsproblemen und zu negativen Auswirkungen auf die Umwelt geführt. Damit verbunden waren eine Verschlechterung der Lebensqualität in den Gemeinden und erschwerte Bedingungen für den effektiven und effizienten Betrieb von öffentlichen Nahverkehrssystemen [FTA 1999a].
Das Programm der FTA wirkt in beiden
Richtungen. Zum einen wird die Siedlungsentwicklung stärker auf den ÖPNV
ausgerichtet ("transit-oriented development"), zum anderen orientiert sich aber
auch die Entwicklung von Nahverkehrssystemen stärker an den Bedürfnissen der
Gemeinden ("community-sensitive transit"). Die folgenden Elemente sind die
Hauptbestandteile der Livable Communities Initiative:
Die rechtlichen Grundlagen aus dem ISTEA für dieses Programm finden sich in Title 49 des United States Code, Section 5309 (a) (5) und (7). Dieser Artikel erlaubt die Gewährung von Fördermitteln für Projekte, die (1) die Effektivität von Massenverkehrsmitteln steigern und die räumlich oder funktional einem Verkehrsprojekt zugeordnet werden können oder (2) durch die Entwicklung von Korridoren entlang spurgeführter Systeme die Nutzung der Massenverkehrsmittel in diesen Korridoren erhöhen [USC 49]. Mit öffentlichen Mitteln werden jetzt Bahnhofserneuerungen, Verbesserungen der Zugänglichkeit vor allem für Fußgänger und Siedlungsentwicklungen an Schienenhaltepunkten unterstützt.
Ein Bestandteil der neuartigen Fördermechanismen des ISTEA im Rahmen der "Livable Communities Initiative" ist das sog. "joint development". Das sind Entwicklungsmaßnahmen im Umfeld von Schienenhaltepunkten, die in den meisten Fällen von den Nahverkehrsunternehmen durchgeführt werden. Diese Projekte sind in der Regel konzentriert auf die regionalen Oberzentren, es gibt aber auch Entwicklungsmaßnahmen an Haltepunkten des Schienenverkehrs im Umland. Dazu heißt es in "Building Livable Communities with Transit" [FTA 1999a]:
Die Nahverkehrsunternehmen als Empfänger staatlicher Fördermittel können diese jetzt auch einsetzen, um Entwicklungsmaßnahmen in der Umgebung von Schienenhaltepunkten ("transit-oriented joint developments") zu unterstützen. Dabei werden in den Ballungsräumen vor allem Geschäftszentren an ÖV-Verknüpfungspunkten gebaut, im Umland ist auch eine Siedlungsentwicklung an Schienenhaltepunkten möglich. Die zusätzlichen Einnahmen aus diesen Projekten können innerhalb der Nahverkehrsunternehmen frei verwendet werden. Die Unternehmen gewinnen dadurch auf zweierlei Weise. Einerseits erhöhen sich die Fahrgeldeinnahmen durch die gesteigerte Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel und andererseits profitieren die Unternehmen durch das fortgesetzte wirtschaftliche Wachstum der Siedlungen bzw. Geschäftszentren, die von ihrem Unternehmen bedient werden. Es muss nur sichergestellt werden, dass diese Entwicklungsmaßnahme auch langfristig räumlich oder funktional im Zusammenhang mit dem öffentlichen Verkehrsmittel steht und die ÖPNV-Nutzung durch das Projekt dauerhaft erhöht wird [FTA 1998a].
Die Ausdehnung eines "transit-oriented development" wird durch die Entfernung vom zugeordneten Schienenhaltepunkt begrenzt. In den USA wird in der Regel eine fußläufige Entfernung von maximal fünf Minuten angesetzt, was etwa einer Viertel Meile (ca. 400 m) entspricht [Marchetti 1995]. Die Entwicklungsmaßnahmen sind daher auf einen 400-m-Radius um die Bahnhöfe begrenzt. Die Entfernung kann allerdings vergrößert werden, wenn durch eine ansprechende und interessante Gestaltung die Zugangskorridore attraktiver werden.
Abbildung 2.1: TOD Hierarchy [Marchetti 1995]
In den USA wird ein zweistufiges System von "transit-oriented developments" (TODs) angewandt (siehe Abbildung 2.1). Die "Urban TODs" finden sich an Stadtbahn- oder Schnellbahnlinien (auch Expressbusse) und beinhalten hauptsächlich Büro- und Geschäftsnutzungen mit hohen Bebauungsdichten. Die Wohngebiete sind dann in größerer Entfernung von den Haltepunkten angesiedelt. Entsprechend dem Haltestellenabstand auf den Stadtbahnlinien liegt die Entfernung zwischen den einzelnen TOD-Zentren bei einer Meile (ca. 1,6 km). Die "Neighborhood TODs" befinden sich an Haltepunkten der Zubringer-Buslinien mit hohen Taktfrequenzen und bestehen aus Wohnnutzung mit mittleren Dichten. In den TOD-Zentren können auch örtliche Geschäfte und Dienstleistungsangebote angesiedelt werden [Marchetti 1995].
2.1.3 "Integrated transport" im Vereinigten Königreich [ 1 | 2 | 3 | 4 | 5 ]
Auch in dem 1997 vom britischen Department of Environment, Transport and the Regions (DETR)
herausgegebenen Weißbuch "A New Deal for Transport -
Better for Everyone" finden sich Ansätze einer Politik, die Flächennutzungsplanung
mit dem Ziel der Stärkung des öffentlichen Verkehrs verknüpft. Die Hauptziele
des "Integrated Transport White Paper" [DETR 1998] sind die Folgenden:
Dabei ist hier vor allem der dritte Punkt entscheidend. Die Planung zielt darauf ab, die weitere Ausbreitung von Entwicklungsflächen zu stoppen und dadurch das Verkehrsaufkommen zu reduzieren und die Zugänglichkeit bei Arbeit, Freizeit und Versorgung zu erhöhen. Die formulierten Leitlinien beinhalten die Förderung von größeren Entwicklungsprojekten in ÖPNV-Korridoren und anderen Bereichen, in denen ein gutes Angebot des ÖPNV existiert oder geschaffen werden kann. Ebenso ist eine Nutzungsmischung und die Steigerung der Wohndichten vorgesehen, um die Potenziale für den ÖPNV, Fahrradfahrer und Fußgänger zu maximieren [DETR 1998].
Die für England [1] geltende Planning Policy Guidance Note on Transport (PPG 13) formuliert die politischen Leitlinien für die Verkehrspolitik, die von den Regional Transport Authorities (RTA) in der Regional Planning Guidance (RPG) umgesetzt werden. Die ersten Ansätze zu einer integrierten Verkehrspolitik fanden sich schon in der Erstausgabe 1994. Zur Zeit wird PPG 13 aber nach den Vorgaben des Integrated Transport White Paper überarbeitet, um den Zielen der integrierten Verkehrspolitik ein stärkeres Gewicht zu geben.
Die Rolle der Flächennutzungsplanung im Rahmen der "integrated transport"-Strategie wird in PPG 13 folgendermaßen beschrieben [DETR 1999]:
Dabei sind auf lokaler Ebene ebenfalls die drei Elemente Zugänglichkeit ("accessibility"), Wohndichte ("density") und Nutzungsmischung ("mix of uses") von besonderer Bedeutung. Die Konzentration von Siedlungsentwicklung an Orten mit guter ÖPNV-Verfügbarkeit soll die freie Verkehrsmittelwahl der Bewohner sichern, die Erleichterung von Siedlungsentwicklung mit hoher Wohndichte soll die Wegeweiten verkürzen und die Nutzungsmischung soll das Verkehrsaufkommen reduzieren. Insgesamt werden mit diesen Maßnahmen die Potenziale des Umweltverbundes vergrößert.
Die Möglichkeiten des Schienenverkehrs werden in der überarbeiteten PPG 13 nur einmal erwähnt. Dabei sollen neben der Durchführung von Beschleunigungsprogrammen für Buslinien ("bus improvements and priority measures") und der Verbesserung der Verknüpfung zwischen den verschiedenen Verkehrsmitteln auch Potenziale ermittelt und Vorschläge gemacht werden für neue Schienenverbindungen einschließlich der Wiedereröffnung von Bahnlinien und die Schaffung neuer Haltepunkte an vorhandenen Strecken [DETR 1999].
2.1.4 Entwicklungsschwerpunkte in der Schweiz [ 1 | 2 | 3 | 4 | 5 ]
Das Programm "Wirtschaftliche Entwicklungsschwerpunkte" (ESP-Programm) im Schweizer Kanton Bern wurde 1989 gestartet mit dem Ziel Arbeitsplätze konzentriert anzusiedeln und die wirtschaftliche Entwicklung umweltfreundlich zu gestalten. Durch die Konzentration verkehrsintensiver Nutzungen an Haltepunkten des Schienenverkehrs soll eine Reduktion des Verkehrsaufkommens erreicht werden. Es folgt damit dem Leitbild der "dezentralen Konzentration" und beinhaltet eine Abstimmung zwischen Raumordnungs-, Verkehrs-, Wirtschafts- und Umweltpolitik [vgl. AGR 1999]. Insgesamt besteht das Programm aus den vier Teilprojekten wirtschaftliche Entwicklungsschwerpunkte (ESP), Entlastungsstandorte, Wohnstandorte und Berner S-Bahn. Somit erfolgt ein integrierter Ausbau der ESP und der S-Bahn.
Das Ziel der Entwicklungsschwerpunkte (ESP) ist es, Flächen an Knoten des öffentlichen Verkehrs für Büroarbeitsplätze, Versorgungseinrichtungen und Freizeitnutzungen ("tertiäre Arbeitsstätten" [Difu 1998]) bereitzustellen. Diese Flächen liegen in der Regel in der Nähe von Bahnhöfen des S-Bahn-Systems. In Bern sind solche ESP am Hauptbahnhof in der Innenstadt und an zwei Standorten an der "Cityschiene" am Rande der Kernstadt geplant (Ausserholligen und Wankdorf). Diese Standorte an der "Cityschiene", auf der alle S-Bahnlinien verkehren, sind damit optimal vom Umland aus mit dem ÖPNV erreichbar.
Entlastungsstandorte sollen in der Nähe von Autobahnausfahrten industrielle und gewerbliche Nutzungen aufnehmen. Diese Entlastungsstandorte sollen aber für Berufspendler und Kunden auch gut mit dem ÖPNV erreichbar sein. Die ausgewählten Standorte in der Region Bern liegen fast alle in Bahnhofsnähe. Mit den ca. 45 Entwicklungsschwerpunkten und Entlastungsstandorten, die 1995 vorgesehen waren, kann die Flächennachfrage der nächsten 10 bis 15 Jahre im Kanton Bern befriedigt werden [ESP 1995].
Seit Juli 1994 ist das Teilprojekt Wohnstandorte in das ESP-Projekt integriert [ESP 1995]. Damit soll "preiswerter Wohnungsbau in verdichteten Siedlungsgebieten mit optimaler öffentlicher Verkehrserschließung" realisiert werden. Die Standorte werden dabei nach den raumplanerischen Kriterien "Erreichbarkeit mit dem öffentlichen Verkehr, Abstand vom Bahnhof geringer als 500 m, Zentralitätsgrad des Ortes" ausgewählt [Difu 1998, S. 168f]. Das Ziel war bis zum Ende der 90er Jahre an ca. 15 bis 20 Standorten insgesamt 5000 Wohnungen zu realisieren [ESP 1992].
Das Projekt Berner S-Bahn schafft die infrastrukturellen Voraussetzungen für eine Baulandentwicklung an der Schiene im Kanton Bern. Begünstigt wird dies durch das vergleichsweise dichte Bahnnetz und die große Haltestellendichte in der Region Bern. Das S-Bahnnetz, das bis 1999 vollständig realisiert wurde, besteht aus vier Durchmesserlinien durch den Hauptbahnhof Bern, die alle mindestens im 30-Min-Takt bedient werden. Die gesamte Streckenlänge beträgt 400 km und umfasst 140 Bahnhöfe [Difu 1998, S. 161].
Das ESP-Programm wurde 1995 mit dem "Räumlichen Stadtentwicklungskonzept"
für die Stadt Bern konkretisiert. Darin wurden folgende vier Ziele formuliert:
Von Seiten des Kantons werden die Entwicklungsschwerpunkte sowohl finanziell als auch organisatorisch unterstützt. Für die Standorte der ersten Priorität werden die Investitionsplanungen für Straßen und Schieneninfrastruktur sowie für öffentliche Räume finanziell und zeitlich abgestimmt und mit 10 Mio. Schweizer Franken pro Jahr unterstützt. Die Koordination der Projekte erfolgt durch einen Projektbegleiter. Außerdem beteiligt sich der Kanton zur Hälfte an den Kosten für Gemeinschaftsplanungen [AGR 1999].
2.1.5 Die ABC-Standortplanung in den Niederlanden [ 1 | 2 | 3 | 4 | 5 ]
Im "Vierten Bericht zur Raumplanung" wurde 1988 die Idee der "kompakten Stadt" als Leitbild für die Raum- und Siedlungsstruktur in den Niederlanden festgelegt. Der zugrundeliegende Gedanke ist, dass durch die steigende Automobilität (MIV-Aufkommen und ruhender Verkehr) der öffentliche Raum zu stark eingeschränkt wird. "Verbunden mit dem Begriff ‚compacte stadt’ werden Ziele wie Zurückdrängen des Flächenverbrauchs, Verkürzen der Wohnort-Arbeitsort-Distanzen, Erhalten von Natur und Landschaft, sowie Erhalten des städtischen ‚Milieus’ formuliert." [Difu 1998] Durch die Konzentration von Wohnungen, Arbeitsstätten und Versorgungseinrichtungen innerhalb der bestehenden städtischen Gebiete und die Stärkung des ÖPNV soll die Bedeutung des motorisierten Straßenverkehrs zurückgedrängt werden. Daher ist die Erneuerung der teilweise veralteten ÖPNV-Systeme und die Stärkung des SPNV als wichtigstes Transportmittel ein wichtiger Bestandteil dieser Politik. Das Ausweisen von Siedlungsbeschränkungen außerhalb der bebauten Gebiete ist ein weiterer Bestandteil, der eine Stadtentwicklung nach innen, und damit auch die Ausrichtung auf den ÖPNV, gewährleisten soll.
Im Jahre 1991 wurde in den Niederlanden die sog. ABC-Standortplanung entwickelt. Ziel dieser Planung ist die Steuerung der Mobilitätsentwicklung, um den motorisierten Individualverkehr zurückzudrängen und den ÖPNV und Fahrradverkehr zu fördern. Verwirklicht wird das Prinzip der Standortplanung- und Lenkung, indem den Betrieben und Einrichtungen geeignete Standorte angeboten und die Wahl ungeeigneter Standorte verhindert wird. Dazu wurden für drei Standorttypen (A, B, C) Erreichbarkeitsprofile entwickelt, denen entsprechende Mobilitätsprofile zugeordnet werden können (Tabelle 2.3). Auf diese Weise ist es möglich für jede Nutzung einen geeigneten Standort zuzuweisen.
Standort | Erreichbarkeitsprofil | Mobilitätsprofil [2] |
Typ A |
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Typ B |
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Typ C |
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Den Standorten werden Erreichbarkeitsprofile zugeordnet, die die Erreichbarkeit mit dem ÖPNV und dem MIV sowie die Pkw-Parkmöglichkeiten beschreiben. Den Betrieben und Einrichtungen werden in Abhängigkeit von den Beschäftigten, Besuchern und Kunden Mobilitätsprofile zugeordnet, die die Arbeitsintensität (Anzahl der Beschäftigten pro Fläche), die Besuchsintensität (Anzahl der Besucher pro Fläche), die Autoabhängigkeit (Anteil der autoabhängigen Beschäftigten) und die Bedeutung des Güterverkehrs (über die Straße) beschreiben. Eine hohe Arbeits- bzw. Besuchsintensität, d. h. eine große Zahl von Beschäftigten bzw. Besuchern bezogen auf die Fläche, bedeutet in der Regel ein hohes Potential an ÖPNV-Nutzern. Bei der Autoabhängigkeit geht es im wesentlichen um die Bedeutung und den Umfang von Geschäfts- und Warenverkehr. [vgl. Difu 1998]
Bei der planerischen Entwicklung von Standorten und bei der Planung der Verkehrsinfrastruktur sind die aktuellen bzw. die vorgesehenen zukünftigen Erreichbarkeitsprofile zu berücksichtigen. Auch die Parkraumpolitik, die Fahrradverkehrspolitik und die Grundstückspolitik sind auf den Standorttyp abzustimmen. Aus der Zuordnung von Erreichbarkeits- und Mobilitätsprofilen ergibt sich, dass arbeits- und besuchsintensive Betriebe und Einrichtungen an A-Standorten, Betriebe und Einrichtung mit mittlerer Arbeits- und Besuchsintensität und mittlerer Autoabhängigkeit an B-Standorten und Betriebe und Einrichtungen mit geringer Arbeits- und Besuchsintensität, hoher Autoabhängigkeit und großer Bedeutung des Güterverkehrs an C-Standorten angesiedelt werden. Generell ist zu beachten, dass Standorte auf der "grünen Wiese" vermieden werden, auch C-Standorte sind nur im unmittelbarem Anschluss an bebautes Gebiet möglich. Der öffentliche Verkehr soll an den A- und B-Standorten stark zunehmen. Langfristig wird für die A-Standorte ein Modal Split Anteil des MIV im Berufsverkehr von weniger als 10 ¸ 20 % und für die B-Standorte von weniger als 35 % angestrebt. [vgl. Difu 1998]
Neben der optimalen Erreichbarkeit mit dem ÖPNV bzw. SPNV sollen an A- und B-Standorten weitere Maßnahmen dafür sorgen, dass der Flächenverbrauch und das MIV-Aufkommen reduziert wird. Durch eine kompakte Stadtform und die räumliche Zuordnung von Wohn- und Arbeitsstätten das Verkehrsaufkommen insgesamt reduziert werden. Außerdem soll durch die Reduzierung der Anzahl der Stellplätze und durch Parkraummanagement der Autoverkehr verringert werden. Die Parkierungsnormen für Betriebe und öffentliche Einrichtungen erlauben in Stadtregionen maximal 10 Stellplätze pro 100 Beschäftigten für A-Standorte und maximal 20 Stellplätze pro 100 Beschäftigten für B-Standorte [Difu 1998].
Zur Stärkung des Fahrradverkehrs werden zusammenhängende Fahrradwegenetze und Radwegeverbindungen zwischen den Städten geschaffen. Weitere Angebote für Fahrradfahrer sind bewachte Fahrradgaragen und Fahrradstationen. Durch eine gute Straßenraumgestaltung wird die Aufenthaltsqualität und damit die Attraktivität für Fußgänger erhöht. Durch eine Steigerung der Qualität und der Kapazität des ÖPNV (Bevorrechtigung für Busse und Straßenbahnen, Neubau von Stadtbahnen) soll der Modal Split Anteil des öffentlichen Verkehrs im Berufspendelverkehr deutlich gesteigert werden.
Ähnlich dem Konzept der Entwicklungsschwerpunkte in der Schweiz wird hiermit in den Niederlanden also die Konzentration der Baulandentwicklung an Knotenpunkten des Schienenverkehrs gefördert (A- und B-Standorte) und damit die Nutzung des Verkehrsmittels Bahn gesteigert. Durch die Integration der Standort- und Verkehrsplanung wird aber gleichzeitig die Verkehrsvermeidung durch Verkürzung der Wegeweiten und die Verlagerung des Verkehrs auf umweltfreundliche Verkehrsmittel angestrebt.