1 Einleitung
Unter dem Stichwort "Baulandentwicklung an der Schiene" wird in Deutschland eine Politik verstanden, die Siedlungs- und Verkehrsplanung integriert, und dabei auch umwelt- und wirtschaftspolitische Elemente enthält. In erster Linie geht es darum, neue Wohn- und Gewerbegebiete an Haltepunkten des Schienenpersonennahverkehrs zu konzentrieren, um dadurch neue Potenziale für den ÖPNV bzw. SPNV zu erschließen und so eine zukunftsfähige und umweltfreundliche Verkehrsabwicklung zu gewährleisten. Auch in den USA hat sich diese Politik unter dem Stichwort "transit-oriented development" durchgesetzt. Sie ist auch Bestandteil der britischen "integrated transport strategy", des Schweizer Modells der wirtschaftlichen Entwicklungsschwerpunkte (ESP) und der ABC-Standortplanung in den Niederlanden. Die Umsetzung dieses Konzepts ist bereits in vielen politischen Programmen verankert und wird fördertechnisch unterstützt. Erste Untersuchungsergebnisse bestätigen einen Zusammenhang zwischen der Siedlungsentwicklung an der Schiene und dem Mobilitätsverhalten der Bevölkerung. Danach ist dieses Konzept geeignet, die Nutzung des Verkehrsmittels Bahn entscheidend zu steigern.
Die Stadt Krefeld hat mit ihrem Konzept "Stadt- und Bahnperspektiven - Krefelder Promenade - Entwicklungsareale - Bahnhöfe" ein Programm vorgelegt, das einige Elemente der "Baulandentwicklung an der Schiene" beinhaltet und für die Stadt eine umweltgerechte und zukunftsfähige Verkehrs- und Siedlungsentwicklung ermöglicht. Bestandteile dieses Konzepts sind die Schaffung einer Freizeitachse im Stadtgebiet, die Entwicklung brachliegender Flächen entlang einer Bahnstrecke und die Aufwertung der Bahnhofsbereiche. Anlass für diese Überlegungen sind die Potenziale, die die von der Bahn aufgegebenen Flächen bieten, sowie der desolate Zustand der Bahnhöfe, der die Folge einer jahrelangen Vernachlässigung durch Stadt und Bahn ist. Gleichzeitig ist die Verbesserung des Verkehrsangebotes auf der Schiene mit der Einrichtung einer S-Bahn geplant. Dieses Konzept fasst die verschiedenen Einzelmaßnahmen zu einem streckenbezogenen Gesamtkonzept zusammen, das in Kooperation mit den Nachbargemeinden auch regionale Bedeutung erhalten kann.
Ein Standort an der Krefelder Promenade ist der Bahnhof Krefeld-Uerdingen, dessen Umfeld als Bestandteil der städtebaulichen Rahmenplanung für den Stadtteil Uerdingen aufgewertet werden soll. Der Stadtteil Uerdingen ist Krefelds einziger Stadtteil am Rhein und gleichzeitig Mittelzentrum mit regionalem Einzugsbereich. Die Einbindung des Bahnhofs in das städtische Gesamtgefüge sowie die Situation auf dem Bahnhofsvorplatz sind als mangelhaft zu bezeichnen. Gleichzeitig bietet der Bahnhof aber städtebauliche und verkehrliche Potenziale, um eine zentrale Rolle im Stadtteil Uerdingen zu erhalten.
In dieser Arbeit sollen die grundlegenden Zusammenhänge zwischen Baulandentwicklung an der Schiene und dem Mobilitätsverhalten der Bewohner, dabei insbesondere der Bahnnutzung, dargestellt werden. Dazu werden verfügbare empirische Materialien aufbereitet und zusammengefasst sowie einige Beispiele aus Deutschland und den USA vorgestellt. Ziel dieser Arbeit ist eine Abschätzung der qualitativen und quantitativen Auswirkungen des Maßnahmenpaketes der Stadt- und Bahnperspektiven Krefeld auf die Stadt- und Verkehrsentwicklung. Dazu werden zuerst die Entwicklungspotenziale der Stadt- und Bahnperspektiven für die drei Elemente Krefelder Promenade, Entwicklungsareale und Bahnhöfe untersucht. Die Konkretisierung erfolgt für den Bahnhofsstandort Krefeld-Uerdingen, für den zunächst eine Potenzialanalyse erstellt wird. Zur Bestandsaufnahme und zur besseren Einordnung der Auswirkungen wurde in Uerdingen auch eine Passantenbefragung durchgeführt, die die jetzige Situation und einige Verbesserungsvorschläge zum Inhalt hatte.
Für den Bahnhof Uerdingen soll eine räumlich-funktionale Konzeption zur Aufwertung des Bahnhofsbereiches erarbeitet werden. Im Rahmen dieser Arbeit wird aber kein städtebaulicher Entwurf für Krefeld-Uerdingen erstellt, vielmehr sollen die Grundlagen für eine Abschätzung der Auswirkungen infolge der Siedlungsentwicklung und der Umfeldmaßnahmen am Bahnhof definiert werden. Auf Grundlage dieser Konzeption erfolgt dann die Wirkungsabschätzung, deren Bestandteil sowohl eine quantitative Prognose der Fahrgastzahlen als auch die qualitative Bewertung der Chancen für eine zukunftsfähige Stadt- und Verkehrsentwicklung ist. Dabei wird auf Grundlage der vorhandenen Fahrgastzahlen eine Prognose für den Zielzustand nach Fertigstellung aller Maßnahmen angestellt. Dabei ist allerdings auf Grund der Begrenzung des Untersuchungsraums auf das nähere Bahnhofsumfeld von Uerdingen keine umfassende Verkehrsprognoseberechnung auf Grundlage einer Quell-Ziel-Betrachtung möglich. Die Abschätzung der Fahrgastzahlenentwicklung erfolgt alleine vor dem Hintergrund der in Krefeld-Uerdingen vorgesehenen Maßnahmen.
Zunächst werden im zweiten Kapitel die Grundlagen der "Baulandentwicklung an der Schiene" ausführlich beschrieben, wobei vor allem auf die politischen Rahmenbedingungen und Programme in Deutschland, den USA, England, der Schweiz und den Niederlanden eingegangen wird. Danach werden einige Beispiele aus Deutschland und den USA vorgestellt, die bereits verwirklicht wurden oder sich im Planungsstadium befinden. Anschließend werden die verfügbaren Untersuchungsergebnisse, die die Auswirkungen einer solchen Politik auf das Mobilitätsverhalten und die Bahnnutzung beschreiben, und die Erfahrungen aus verschiedenen Ländern mit diesen Programmen zusammengefasst.
Das Konzept der Stadt und Bahnperspektiven der Stadt Krefeld und die S-Bahn-Planungen des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr für den mittleren Niederrhein werden im dritten Kapitel vorgestellt. Bei den Stadt- und Bahnperspektiven geht es um die Freizeitachse Krefelder Promenade, die Entwicklungsareale und die Bahnhöfe. Welche Potenziale dieses Konzept der Stadt Krefeld bietet und welche stadträumlichen und verkehrlichen Effekte bei einer Umsetzung zu erwarten sind, wird anschließend qualitativ und quantitativ untersucht. Der Standort Krefeld-Uerdingen wird im vierten Kapitel näher betrachtet. In einer Potenzialanalyse werden die Chancen und Mängel dieses Standortes herausgestellt. Danach werden die Ergebnisse der Passantenbefragung, die sowohl für die Bestätigung der Potenzialanalyse als auch für die folgende Wirkungsabschätzung von Bedeutung ist, erläutert. Anschließend werden die Einflussfaktoren für die Bahnnutzung und die Ziele für das Bahnhofsumfeldkonzept für Krefeld-Uerdingen dargestellt.
Auf Grundlage der Potenzialanalyse wird im fünften Kapitel ein räumlich-funktionales Konzept für den Stadtteil Krefeld Uerdingen und insbesondere das Bahnhofsumfeld erarbeitet. Bestandteile dieser Konzeption sind die Baulandentwicklung im Umfeld, die Verbesserung der Erreichbarkeit und des Bahnsteigzugangs, Maßnahmen zur Verbesserung städtebaulichen Integration, der Aufenthaltsqualität und der Sicherheit und weitere Bahnhofsumfeldmaßnahmen. Die qualitativen und quantitative Wirkungsabschätzung der räumlich-funktionalen Aufwertung des Bahnhofsumfeldes in Uerdingen wird im sechsten Kapitel vorgenommen. Dabei werden die einzelnen Maßnahmenpakete Bahnhofsumfeldentwicklung, Baulandentwicklung im Umfeld und die S-Bahn-Einführung getrennt untersucht. Abschließend werden allgemein die Chancen für die Stadt- und Verkehrsentwicklung in Krefeld-Uerdingen aufgezeigt.
Das abschießende Fazit fasst die Ergebnisse der Untersuchungen zur Baulandentwicklung an der Schiene im Allgemeinen und der Wirkungsanalyse der Auswirkungen des Bahnhofsumfeldkonzeptes in Krefeld-Uerdingen im Speziellen zusammen. Es wird ein Ausblick auf die zukünftigen Potenziale für eine effektive Verkehrs- und Siedlungsentwicklung in und außerhalb von Deutschland gegeben.